Innovationen
30.03.2020

Züge sollen sich selbst kuppeln

Der Schienengüterverkehr befindet sich in einem weitreichenden Wandel. Digitalisierte und automatisierte Prozesse können helfen, Transporte wirtschaftlicher, schneller und zuverlässiger zu machen – und so mehr Güter auf die Schiene zu holen. Die Branche will in einem insgesamt wachsenden Markt bis 2030 ihren Anteil von derzeit 19 auf 25 Prozent ausbauen. Das geht nur mit einem Innovationsschub, forderten der Verladerverband BME und der VDV anlässlich des gemeinsam ausgerichteten „Forums Schienengüterverkehr“ in Berlin.


Mehr Güterverkehr auf der Schiene ist eine entscheidende Voraussetzung, damit die Verkehrswende gelingt. Das konkrete Ziel: Der Marktanteil der Schiene soll bis 2030 auf 25 Prozent zulegen. „Die Verkehrsleistung muss von 136 Milliarden auf etwa 210 Milliarden Tonnenkilometer wachsen – also um 55 Prozent“, verdeutlichte VDV-Vizepräsident Joachim Berends die Herausforderung in absoluten Zahlen. Wenn die Schiene nachhaltig gestärkt werden soll, müssten alle Beteiligten an einem Strang ziehen, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Ebenso wie das Güterverkehrsaufkommen werde der Wunsch nach nachhaltigeren und CO2-effizienteren Transporten wachsen. Neben den unumstrittenen Stärken der Schiene – der Transport großer Mengen und sehr hoher Gewichte, geringe CO2-Emissionen, hohe Transportsicherheit und Effizienz – sei es jedoch ein Wagnis, die Schiene in terminkritische Logistikketten zu integrieren.

Kommt die Verkehrswende zugunsten der Schiene ­tatsächlich? Darüber diskutierten (v. l. n. r.) Dr. Silvius Grobosch (BME), Holger Lösch (BDI), Stefan Stroh (DB Cargo), Enak Ferlemann (BMVI) sowie Joachim Berends und Dr. Martin Henke (beide VDV)

Auf dem Weg zu mehr Logistikfähigkeit führt kein Weg daran vorbei, den Schienengüterverkehr zu modernisieren und technologisch zu erneuern. Automatisierte Abläufe und die Digitalisierung sind der Schlüssel dazu. Um diese Themen drehten sich zahlreiche Beiträge auf dem „Forum Schienengüterverkehr“. Das Potenzial, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren, ist genauso groß, wie die Ansätze vielfältig sind. Ersatzteile kommen aus dem 3-D-Drucker, Diagnosesysteme erfassen die Daten und den Zustand von Waggons im Vorbeifahren. Software-Lösungen erleichtern das Flotten- und Wartungsmanagement, optimieren die Instandhaltung und erhöhen die Verfügbarkeit von Fahrzeugen. Weitere Ansätze der Branche: Waggonvermieter statten ihre Flotten mit Sensoren und Telematik aus; Plattformen wie das neue „Link2rail“ von DB Cargo vernetzen Verlader und Eisenbahnunternehmen.

Der eigentliche „Türöffner“ zu mehr Digitalisierung und Automatisierung im Schienengüterverkehr ist jedoch die Digitale Automatische Kupplung (DAK). Von ihr verspricht sich die Branche eine deutliche Steigerung der Produktivität. Über Strom- und Datenleitungen gewährleistet die DAK eine zuverlässige Stromversorgung sowie Datenkommunikation innerhalb des gesamten Güterzugs. Insgesamt bietet sie gegenüber der herkömmlichen Technik fast 30 Vorteile – neben enormen Effizienz- und Zeitgewinnen unterstützt sie die Instandhaltung der Fahrzeuge, ermöglicht automatisierte Zugbildungen und Bremsproben sowie die Einbindung in digitalisierte Logistikketten.

Für die Einführung der DAK sprach sich Enak ­Ferlemann sehr deutlich aus. Es gehe darum, die Konkurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern zu stärken, so der Parlamentarische Staats­sekretär im Bundesverkehrsministerium: „Wir müssen das auf europäischer Ebene angehen.“ So sieht es auch die Branche. „Ohne DAK ist keine vollständige Automatisierung und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs möglich“, verdeutlichte Johann Feindert, Chef des Waggonvermieters GATX. Angesichts früherer erfolgloser Versuche, eine automatische Kupplung einzuführen, mahnte er: „Wenn wir es nicht schaffen, ein europäisches Konzept zu erstellen, werden wir wieder scheitern.“ Etwa sechs bis zehn Milliarden Euro veranschlagen Experten, um europaweit etwa 450.000 Güterwagen sowie Loks mit der neuen Kupplungstechnologie auszustatten – eine Summe, die für die Branche nicht allein zu stemmen ist. Daher wird die finanzielle und politische Unterstützung auf europäischer Ebene benötigt. Johann Feindert forderte die Politik auf, ein positives Umfeld für einen wett­bewerbsfähigeren Schienengüterverkehr in Europa zu schaffen und die „Stimme des Schienengüterverkehrs in Europa“ zu werden.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.bit.ly/dak-charta

Digitale Automatische Kupplung: verbände legen Charta vor

Sechs führende Verbände des Schienengüterverkehrs - darunter der VDV - machen sich für die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK, Beispielfoto) stark. Dazu haben sie die DAK-Charta erarbeitet. Damit wollen die Verbände einen Impuls in den Verkehrssektor und an die Politik geben, um den technologischen Wandel im Schienengüterverkehr zu beschleunigen. Ziel ist es, dass bis spätestens 2030 die Güterwagen in ganz Europa automatisch kuppeln und von der Lok bis zum letzten Waggon digital miteinander verbunden sind.
www.vpihamburg.de/de/dak

Quelle: Voith
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