Standardwerk neu aufgelegt

Flexible Angebote wie On-demand-Shuttles können den klassischen Linienverkehr sinnvoll ergänzen. Die Digitalisierung und verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen haben flexible Bedienungsformen zuletzt beflügelt. Mit Blick auf diese Entwicklung hat der VDV sein Nachschlagewerk „Differenzierte Bedienung im ÖPNV“ aktualisiert und teilweise überarbeitet.


Es gibt sie mit und ohne Fahrplan sowie auf festgelegten Strecken und kurzfristig berechneten Routen. Sie schließen die Lücke zwischen der Haustür und der nächsten Station. Die Rede ist von flexiblen Angebotsformen – ein bedeutender Hebel, um den ÖPNV auszubauen und ihn bedarfsorientierter zu gestalten.

In ländlichen Gegenden, aber auch in der Nähe zu Ballungsräumen werden die Liniennetze von Bussen und Bahnen auf diese Weise zunehmend ergänzt. Kombiniert und erweitert um Sharing-Angebote wie E-Scooter, Leihräder und Sammeltaxis verästelt sich der ÖPNV somit immer feiner. Experten bezeichnen die Verknüpfung von verschiedenen Angebotsformen zu einem integrierten Gesamtkonzept als „differenzierte Bedienung“. Diesem Thema widmet sich auch eine Neuerscheinung aus der VDV-Reihe „Blaues Buch“, in der einzelne Verkehrsthemen umfassend erklärt werden. „Differenzierte Bedienung im ÖPNV“ (Foto) ist jetzt in der dritten Auflage erschienen und gedruckt sowie digital über den Online-Verlagsshop der Beka (www.beka-Verlag.info) zu beziehen.

Im ersten Teil des Buchs erläutern die Autorinnen und Autoren die Grundlagen der differenzierten Bedienung, unterschiedliche Angebotsformen sowie organisatorische Hintergründe. Ein eigenes Kapitel dreht sich dabei auch um Kommunikation und Marketing. Im Anschluss daran werden im zweiten Teil zahlreiche Beispiele aus der Praxis vorgestellt – darunter regionale übergeordnete Verkehre mit Bussen und Bahnen sowie lokale Linien mit Stadt-, Bürger- und Nachtbussen. Hinzu kommen Beispiele flexibler, bedarfsgesteuerter Angebote. Verfasst wurden die Beiträge von Mitgliedern der VDV-Arbeitsgruppe „Differenzierte Bedienung“, die sich aus Mitarbeitenden von VDV, Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern zusammensetzt, sowie von weiteren Fachleuten aus dem Verkehrsbereich.

Drei
Fragen an

Dr. Jan Schilling (Foto), VDV-Geschäftsführer für den Bereich ÖPNV, beantwortet Fragen zum Linienbedarfsverkehr („on demand“).

Herr Dr. Schilling, wie hat sich die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im vergangenen Jahr auf die differenzierten Bedienungsformen wie On-demand-Verkehre ausgewirkt?
» Dr. Jan Schilling: Die Politik hat hier ein deutliches Signal gesetzt und Chancen eröffnet: Der Rechtsrahmen bietet der Branche mit dem novellierten PBefG klare Vorrausetzungen und wird mit den zur Verfügung stehenden Förderbedingungen erfolgreich umgesetzt. Eine Folge: Wir sehen einen deutlichen Hochlauf bei den ÖPNV-integrierten On-demand-Verkehren, es wird Ende des Jahres über 80 neue Projekte geben. Hier sind gegenwärtig mehr als 400 Fahrzeuge unterwegs.

Wie können die Verkehrsunternehmen vor allem das Potenzial im ländlichen Raum besser ausschöpfen?
» Die VDV-Branchenumfrage „On demand 2022“ zeigt einen Hochlauf in allen Räumen, ob urban, suburban, in Kleinstädten – vor allem aber auch im ländlichen Raum. Dort gibt es dadurch flexible, digitale Angebote, wo vorher keine waren. Zudem zeichnet sich ab, dass schwach ausgelastete Linienverkehre dort eher auf On-demand-Angebote mit mehreren kleineren Fahrzeugen umgestellt werden. So werden effektiv Leerfahrten vermindert und stattdessen die Mobilitätsbedürfnisse der Fahrgäste flexibel und mit hohem Komfort bedient.

Vielerorts droht angesichts der gestiegenen Energiekosten die Abbestellung von Verkehren. Sind differenzierte Bedienungsformen eine Antwort?
» Abbestellungen sind aktuell eine relevante Gefahr und werden vielerorts konkret diskutiert. Damit diese nicht flächendeckend anfallen, brauchen wir schnell eine Kompensation für die kriegsbedingt massiv gestiegenen Kraftstoff- und Energiekosten. Der Finanzierungsbedarf für die gestiegenen Strom- und Dieselkosten liegt bei 1,65 Milliarden Euro jährlich für 2022 und 2023. Klug eingesetzt, kann „on demand“ mittelfristig Effizienz schaffen. Doch zuallererst kosten auch diese Angebote im Regelbetrieb Geld: Bis 2030 brauchen wir rund 3,8 Milliarden Euro zusätzlich, damit On-demand-Verkehre in Deutschland flächendeckend im Regelbetrieb fahren können.

VDV-Branchenumfrage

On-Demand-­Verkehre 2022:
www.vdv.de/ondemandUmfrage22

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