Infrastruktur
03.05.2017
Unterwegs im Netz

Jade-Weser-Port:
Zukunft für dicke Pötte und tiefe Wasser

Als Investitionsruine und Milliardengrab verteufeln Kritiker den Wilhelmshavener Jade-Weser-Port (JWP). Doch der einzige Tiefwasserhafen an der deutschen Nordsee kommt langsam in Fahrt. Ab Mitte Mai 2017 schickt der Reederverbund Ocean Alliance seine nach Asien ­fahrenden Riesen-Containerschiffe regelmäßig an die Kaje. Der JWP hofft nach langer Durststrecke auf kräftig steigenden Umschlag. Davon soll auch der Schienengüterverkehr profitieren.


No Tide. No Limits.“ Schiffsverkehr unabhängig von Ebbe und Flut, rund um die Uhr also. Geeignet für dicke Pötte mit bis zu 16,50 Meter Tiefgang. Eine 1.700 Meter lange Kaje, die gleichzeitig Platz für vier Riesen-Con­tainerschiffe der jüngsten Generation bietet. Damit ist der JWP vor fünf Jahren hoffnungsvoll angetreten. Und mit flotten Sprüchen: „Der Weltmarkt braucht heute mehr als eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.“ Den JWP brauchte er bislang eher nicht. Kaum ein Schiff fand in der Vergangenheit die Fahrrinne von der Nordsee zum Jadebusen. Mittlerweile steuern allerdings drei Hochseeschifffahrt- und zwei Feeder-Dienste den Tiefseehafen wöchentlich an.

480.000

Standard-Container

So viele TEU wurden im vergangenen Jahr im Jade-Weser-Port umgeschlagen – 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Vorstellbar wären nach einer zweiten Ausbaustufe 2,7 Millionen TEU.

Was Gegner längst mit dem Wort „Pleite“ verbinden, ist für das Management des Hafens und für die niedersächsische Verkehrspolitik gleichwohl eine Investition in die Zukunft. Und die scheint nun für den hochmodernen Containerhafen ganz allmählich zu beginnen. Mit der Ocean Alliance wollen ab Mai 2017 sechs große, international operierende Reedereien fahrplanmäßig auf ihren Asien-Europa-Touren ­wöchentlich den JWP anlaufen. Olaf Lies, Niedersachsens Wirtschaftsminister, macht sich und seinem Hafenteam Mut: „Das ist ein ganz starkes Signal für Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen.“ Lies hofft, dass der Containerumschlag in absehbarer Zeit die Marke von einer Million Standard-Containern (TEU) knackt.

Davon ist der JWP aber noch ein Stück weit entfernt. Die Umschlagszahlen stiegen zwar 2015 und 2016 kräftig. Im vergangenen Jahr waren es knapp 13 Prozent – in einer Zeit, da die Geschäfte bei weltweit lahmender Konjunktur in Bremerhaven und Hamburg zurückgingen. Bisher sind es aber im Wesentlichen nur die beiden großen Reedereien Maersk und MSC, die als „2M-Allianz“ zwischen Asien und Europa im JWP am Umschlagplatz des europäischen Container-Terminalbetreibers Eurogate festmachen und Container mit Importen überwiegend aus China löschen. Mit rund 480.000 TEU im Jahr 2016 ist das Ziel des Ministers gerade erst zur Hälfte erreicht. „Wir werden die Million schaffen“, ist sich zwar auch der Geschäftsführer der Container Terminal Wilhelmshaven JadeWeser-Port-Marketing Gesellschaft Andreas Bullwinkel sicher, „doch nicht dieses und nicht nächstes Jahr“. Er setzt auf den Trend der Reeder, noch mehr Großschiffe für Containertransporte zu beschaffen.

Hochmoderner Containerhafen: Auf dem Terminalgelände befindet sich die Anlage für den Kombinierten Verkehr.
Der Jade-Weser-Port betreibt seine eigene Hafenbahn.

Fotos: Jade-Weser-Port

Das ist ein ganz starkes Signal für Deutschlands einzigen Tiefwasserhafen.

Olaf Lies, niedersächsischer Wirtschaftsminister, zu den Plänen der Ocean Alliance, den JWP ab Mai wöchentlich anzulaufen

Mit acht hochmodernen Kranbrücken, die auch die Riesen der Containerschifffahrt mit Kapazitäten von 19.000 Standard-Containern schnell be- und entladen können, ist der Hafen-Neuling gut gerüstet. Die „MSC Oscar“, das erste Containerschiff der neuen Generation, war schon vor zwei Jahren zum ersten Mal da. Es kommt seitdem auf seinen Routen zwischen Fernost und Nordeuropa immer wieder an die Jade-Mündung. Mit einer zweiten Ausbaustufe und dann weiteren acht Kränen ist dort sogar ein Umschlag von 2,7 Millionen TEU vorstellbar. In Zukunft. Bullwinkel ist optimistisch: „In zehn Jahren ist das, worüber wir heute reden, längst vergessen.“


Platz für Ansiedlungen

Etwa 60 Prozent der Container aus Übersee verlassen den JWP wieder auf dem Seeweg – mit Feeder-Schiffen nach Skandinavien und in die baltischen Staaten. Das ist auch in der umgekehrten Richtung so. Für die übrigen 40 Prozent gibt es auf der Landseite reichlich moderne Infrastruktur. Das Güterverkehrszentrum (GVZ) gleich neben den Containerkränen bietet auf 160 Hektar viel Platz für Industrieansiedlungen, Kontraktlogistik und hafennahe Dienstleister. Erster Großkunde dort ist das Unternehmen Nordfrost, das eine gewaltige Halle mit einem hochmodernen Frischlager für Früchte betreibt. Nebenan entsteht ein weiterer Riesenbau. In ihm wird künftig Tiefkühlkost für den Versand fertig gemacht.

In zehn Jahren ist das, worüber wir heute reden, längst vergessen.

Andreas Bullwinkel, Geschäftsführer der Container Terminal Wilhelmshaven Jade-Weser-Port-Marketing Gesellschaft

Schienenwege werden ausgebaut

Die Hinterland-Verkehrsinfrastruktur befindet sich im Aufbau. Die Autobahn A 29 beginnt gleich hinter dem Hafengelände an einem Verteilerkreisel. Die vom JWP betriebene Hafenbahn verfügt über eine Anlage für den Kombinierten Verkehr, welche auf dem Terminalgelände liegt und sechs Gleise umfasst. Verbunden ist sie mit einer Vorstellgruppe mit 16 Gleisen zur Bildung von Container-Ganzzügen.

Südlich von Wilhelmshaven treibe DB Netz den Ausbau der Schienenwege engagiert voran, sagt Bullwinkel anerkennend. Die zweigleisige Strecke sieht zurzeit überwiegend nur leichte Nahverkehrstriebzüge. Sie wird für schwere Güterzüge mit Tempo 120 ertüchtigt. Eine komplexe Aufgabe: Die Böden des Marschlandes sind wenig stabil und müssen durch Zement-Injektionen sowie Stahlbeton für die ­höheren Achslasten des Güterzugbetriebs fit gemacht werden. Bis 2022 soll die knapp 70 Kilometer lange Strecke nach Oldenburg elektrifiziert sein.

Auch hier geht es um Kapazitäten für die Zukunft. Die Planungen sehen neben dem Personennahverkehr, den derzeit die Nordwestbahn betreibt, Mitte der 2020er-Jahre bis zu 80 tägliche Güterzüge vor. Derzeit sind es gerade zehn bis 15. Bullwinkel: „Heute kann ich unseren Kunden praktisch jede gewünschte Bahntrasse zur Verfügung stellen. Und das ohne jeden Vorlauf, von einem Tag zum anderen – das ist ja auch ein Vorteil, der immer wieder Unternehmen dazu bringt, sich für uns zu entscheiden.“

Erste regelmäßige Zugverbindungen unterhält Terminalbetreiber Eurogate zwischen dem JWP-Hafenbahnhof via Bremen mit dem Euro­gate-Containerterminal im Hamburger Hafen. In das Transportgeschäft zwischen den Häfen steigt in diesem Frühjahr auch Necoss, die Tochter der Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB), mit Shuttle-Zügen ein. Sie bringt Container so über Hamburg in die europäischen Netze des Kombinierten Verkehrs. Auch Boxxpress überstellt bei Bedarf Container per Bahn zu seinen Zugabfahrten von Bremerhaven und Hamburg ins deutsche Hinterland. Und die Deutsche-Bahn-Tochter Transfracht, Marktführerin im Seehafen-Hinterlandverkehr, nimmt Wilhelmshaven in ihr „Albatros-Express“-Netzwerk auf. Eine Direktverbindung nach Berlin bietet der von Locon betriebene „Jade-Weser-Train“. Er erreicht in Bremen einen Ganzzug nach Großbeeren. Die Güterbahn HSL Logistik plant für eine Spedition Container-Transporte vom JWP nach Leipzig. Von der benachbarten Raffinerie fährt HSL im Regelverkehr Kesselwagenzüge, die bei Bedarf von JWP-Kunden mitgenutzt werden könnten.

Skeptische Blicke von der Elbe

  • In Hamburg wird der JWP – ein Gemeinschaftsunternehmen der Länder Niedersachsen und Bremen – nicht selten als lästige Konkurrenz gesehen. Denn mit der geplanten Fahrrinnen-Vertiefung der Elbe sollen auch die ganz großen Containerschiffe flussaufwärts bis in die Hansestadt kommen. 
  • In Hannover dagegen stellt sich Minister Lies einen zukunftsfähigen „Hafen Norddeutschland“ vor – mit den niedersächsischen und den Bremer Standorten sowie dem Hafen Hamburg. „Machen wir uns nichts vor: Bis die Fahrrinnen-Anpassung tatsächlich kommt, wird noch viel Wasser die Elbe hinunter fließen.“ 
  • Kooperation statt Konkurrenz. So sieht es auch der JWP-Chef Bullwinkel: „Wir müssen uns rüsten gegen den knallharten Wettbewerb der Westhäfen Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge. Wir wollen einen möglichst hohen Anteil vom Containerumschlag für den Standort Deutschland, für Wertschöpfung und Arbeitsplätze erhalten. Und das können wir gemeinsam besser, wenn jeder seine Stärken einbringt.“
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