Personal
21.03.2023

Mit Kita-Plätzen
zum Klimaschutz in Köln

Auf der immer dringlicher werdenden Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steigen die Verkehrsunternehmen stärker in das Personalmarketing ein. Die Betreiber des ÖPNV üben sich darin, im Wettbewerb um Beschäftigte als starke Arbeitgebermarke im Arbeitnehmermarkt aufzutreten. Denn aus den Anbietern von Arbeitsstellen sind längst Bewerber um Kräftenachwuchs geworden. Neben einem strategischen Umdenken erfordert das weit mehr als freundliche Ansprache mit flotten Sprüchen, zeigt das Beispiel der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).



Zum Beginn des Industriezeitalters war es ganz selbstverständlich: Die großen Fabriken und Betriebe bauten reichlich Wohnraum für die dringend gebrauchten Heerscharen an Arbeitskräften, damit in ihren großen Werken und Zechen die Öfen nicht ausgingen und die Räder nicht stillstanden. Mehr als 100 Jahre später ist auch die KVB mit ähnlicher Motivation unter die Bauherren gegangen. Am Hermeskeiler Platz im südwestlichen Stadtteil Sülz, unmittelbar an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 9, geht ein besonderer Gebäudekomplex seiner Fertigstellung entgegen. Ein moderner, mit Sonnenstrom versorgter Neubau, der ebenfalls helfen soll, dass die Räder nicht stillstehen: Hier entstehen 41 unterschiedlich große Wohnungen ausschließlich für KVB-Beschäftigte und ihre Familien. Realisiert werden sie von der Wohnungsbau-Schwester im Stadtwerkekonzern der Domstadt.

Unser Ziel ist es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern attraktiven Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen zur Verfügung zu stellen.

Pamela Winkelmann,
Bereichsleiterin Personalmanagement bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB)

„Unser Ziel ist es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern attraktiven Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen zur Verfügung zu stellen. Im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stellt dies angesichts der Wohnungsknappheit in Köln einen großen Vorteil dar“, sagt Pamela Winkelmann. Sie ist die Bereichsleiterin Personalmanagement der KVB, und sie hat den tiefgreifenden Wandel in der Personalbeschaffung mit eigener Erfahrung durchlaufen: „Als ich mich selbst vor vielen Jahren erstmals beworben habe, ging das noch ganz klassisch: Bewerbung auf eine Stellenanzeige, Vorstellungsgespräch – und dann warten, bis die Zusage kam. Da habe ich mich dann riesig gefreut.“ Heute müsse man als „Personaler“ zusehen, dass man Bewerberinnen und Bewerber für das Unternehmen begeistere, damit sie überhaupt einsteigen mögen.

Personalmarketing bei der KVB: Unter der Arbeitgebermarke #TeamHerzschlag wirbt das Unternehmen um Fachkräfte. Die auffällig gestaltete „Recruitingbahn“ trägt das Thema durch die Domstadt.

Die zentrale Frage in solchen Gesprächen sei weniger die nach den Fähigkeiten und Erfahrungen der umworbenen potenziellen Beschäftigten als die nach den Leistungen des Unternehmens. Da kann die KVB am Hermeskeiler Platz in Sülz noch einmal zusätzlich zum Wohnungsangebot punkten: Im Neubau wird auch eine Tagesstätte eröffnet mit immerhin 28 Plätzen für die kleinen Kinder von KVB-Mitarbeitenden. Der besondere Clou: Den Mitgliedsbeitrag im Trägerverein, der Elterninitiative „Simsalabim“ e. V., und einen Investitionskostenzuschuss übernimmt das Verkehrsunternehmen. Und die Öffnungszeiten der Kita berücksichtigen zumindest im Ansatz, dass insbesondere Mitarbeitende im Fahrdienst kaum zu Büroarbeitszeiten unterwegs sind.

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Wie zahlreiche andere Verkehrsunternehmen muss auch die KVB derzeit eine angespannte Personallage mit ungewöhnlich hohem Krankenstand insbesondere beim Fahrpersonal verkraften. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Busse und Bahnen in der Domstadt für das vergangene Jahr mit 236,1 Millionen ein Fahrgastplus von 37,5 Prozent gegenüber dem Coronajahr 2021 erreicht hatten. „Die aktuelle Betriebsqualität entspricht weder den Erwartungen unserer Kunden noch unseren eigenen Ansprüchen“, bedauert die KVB-Vorstandsvorsitzende Stefanie Haaks. Wie bei vielen anderen musste das Fahrplanangebot auch in Köln reduziert werden. Laut der aktuellen VDV-Branchenumfrage ist jedes zweite ÖPNV-Unternehmen in dieser Situation und musste zumindest zeitweise den Betrieb einschränken.

Deshalb hat die KVB ihre Anstrengungen zur Gewinnung von Fahrpersonal intensiviert: Aktivitäten auf Stellenbörsen, vereinfachte Bewerbungsmöglichkeiten, Online-Anzeigen über die verschiedenen sozialen Plattformen. Seit November wirbt zudem das „#TeamHerzschlag“ als die neue Arbeitgebermarke darum, bei der KVB anzufangen – „mit Herzblut und Tradition“, um die Millionenstadt in das multimodale Zeitalter zu bringen. Eine „Recruitingbahn“ in besonderer Gestaltung macht bei ihren Fahrten im Netz darauf aufmerksam. In vielen Bahnen wurden die gläsernen Rückwände der Fahrerstände zur Werbefläche mit dem Spruch hinter dem Fahrersitz: „Hier bist du beruflich ganz weit vorn.“ Mit spürbarer Resonanz: Nachdem im vergangenen Jahr 61 neue Stadtbahnfahrerinnen und -fahrer eingestellt worden sind, sind in diesem Jahr die Ausbildungskapazitäten in den Fahrschulen auf 103 angehende Kolleginnen und Kollegen erhöht worden.

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Mit #TeamHerzschlag rüstet sich die Arbeitgeberin KVB zudem für die drohenden Personalprobleme der nächsten Jahre, wenn die Babyboomer in Rente gehen. Allein im Fahrdienst des ÖPNV müssen bundesweit jedes Jahr bis zu 8.000 Menschen gewonnen werden, um das altersbedingte Ausscheiden von Personal aufzufangen, sagen Branchenerhebungen. Insgesamt werden laut VDV-Personalumfrage rund 80.000 Beschäftigte bei den Unternehmen bis 2030 den Ruhestand erreichen, etwa ein Viertel des gesamten Personals. Bei der KVB geht die Suche nach neuen Leuten quer durch alle Arbeitsgebiete. So sind neben Fahrerinnen und Fahrern für Busse und Bahnen Mitarbeitende in vielen technischen und handwerklichen Berufen gefragt, aber auch IT-Fachleute und Führungskräfte-Nachwuchs. „Wir wollen uns als attraktiver Arbeitgeber positionieren mit dem gemeinsamen Ziel, Köln und Klimaschutz voranzubringen“, sagt Pamela Winkelmann.

„Als Branche stellen wir uns der neuen Realität des Arbeitnehmermarktes, des Generationenwechsels, der Arbeitsflexibilisierung, der tiefgreifenden Digitalisierung“, erklärt Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und Arbeitsdirektor der DSW21 Dortmunder Stadtwerke (siehe Interview). Im Jahr 2022 hat sich die Personallage bei den befragten Unternehmen gegenüber dem Vorjahr zugespitzt. 61,6 Prozent gaben an, dass der Bedarf an Arbeitskräften zugenommen hat, bei 17 Prozent sogar stark. Immerhin fast 40 Prozent der Unternehmen stellen ein gesteigertes Interesse an der Branche fest, und mehr als jeder zweite Verkehrsbetrieb verzeichnet eine gleichbleibende oder höhere Zahl an Bewerbungen. Attraktiv sind die Chancen für den Berufs- oder Quereinstieg: Auf dem Stellenmarkt der VDV-Arbeitgeberinitiative waren zuletzt mehr als 10.000 Angebote abrufbar.
Mit welchen Maßnahmen die Branche dem Arbeitskräftemangel entgegenwirkt, erfahren Sie im Interview auf den folgenden Seiten.

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