Titelstory
Der Nabel der Verkehrswelt
Mehr Technologie rund um die Schiene und den öffentlichen Personennahverkehr gibt es in dieser Dichte nirgends zu sehen: Vom 18. bis zum 21. September trifft sich die Branche auf der InnoTrans in Berlin. Die internationale Leitmesse wird auch für Hersteller und Betreiber von E-Bussen immer interessanter.
In Deutschland und in anderen Ländern wächst der Öffentliche Personennahverkehr spürbar. Technik, die Milliarden von Fahrgästen weltweit in Zukunft nutzen werden, gibt es im September wieder auf der InnoTrans zu sehen. Vom 18. bis zum 21. September präsentieren mehr als 3.000 Aussteller aus 60 Ländern ihre Innovationen und Produkte den Experten aus der Verkehrsbranche. Im Anschluss kommen auch Eisenbahnfans auf ihre Kosten. Sie können die mehr als 140 Fahrzeuge, die auf dem Frei- und Außengelände ausgestellt werden, an den Publikumstagen vom 22. bis zum 23. September in Augenschein nehmen. Zur bislang jüngsten Auflage der alle zwei Jahre stattfindenden Messe kamen 2016 fast 140.000 Fachbesucher aus aller Welt – mehr als drei Viertel von ihnen waren Entscheider. Ihnen bietet sich ein gebündelter Blick auf die Innovationen der Branche. Neben dem Öffentlichen Verkehr gehören Eisenbahntechnologie, Eisenbahninfrastruktur, Innenausstattungen und Tunnelbau zu den Messesegmenten. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählt in diesem Jahr erneut die digitale Vernetzung.
So wird auch der Messestand der Deutschen Bahn (Halle B) am 19. September im Zeichen des Projekts „Digitale Schiene Deutschland“ stehen. In dem Zukunftsprogramm bündelt die DB die Entwicklung und den Einsatz innovativer Technologien. Während sich einige davon noch im Testbetrieb befinden, kommt das europäische Zugsicherungssystem ETCS – Herzstück der digitalen Schiene – auf einzelnen Strecken bereits zum Einsatz. Künftig werden Züge im deutschen Streckennetz per Funk gesteuert. Zum Thema „Beschleunigter Flächenrollout ETCS/Digitale Stellwerke: Start in die Digitalisierung der Schiene“ werden am DB-Stand auf der InnoTrans unter anderem Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla (siehe Interview unten auf dieser Seite), Vertreter aus Politik und Verbänden sowie Martin Schmitz, VDV-Geschäftsführer Technik, diskutieren.
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Ebenfalls der Digitalisierung – in diesem Fall des Schienengüterverkehrs – widmet sich das Dialog Forum, das vom Deutschen Verkehrsforum (DVF) und vom VDV ausgerichtet wird. Neue Technologien bieten dem Gütertransport die Chance, produktiver und effizienter zu werden und seine Qualität zu verbessern. Was die Unternehmen der Branche tun, welche Anforderungen die verladende Wirtschaft hat und ob die Rahmenbedingungen überhaupt stimmen, diskutieren am 19. September Vertreter von Verbänden, Güterbahnen und Wissenschaft unter der Moderation von VDV-Vizepräsident Joachim Berends. Am folgenden Tag geht es an gleicher Stelle darum, wie neue Mobilitätsdienste den Öffentlichen Verkehr verändern. Zu den Fragen, die Branchenvertreter mit Politikern diskutieren, gehört beispielsweise, ob neue Mobilitätsdienste die verlässlichen Angebote des Öffentlichen Verkehrs aufs Spiel setzen. Ebenfalls ein Thema sind die Rahmenbedingungen, um das Verkehrsangebot in der Stadt und im ländlichen Raum zu verbessern.
Der VDV ist nicht nur in den Fachveranstaltungen vertreten, sondern mit 15 Partnern auch wieder an einem 180 Quadratmeter großen Gemeinschaftsstand (Halle 2.2, Stand 302). Hier gibt es ebenfalls eine Innovation zu sehen. Besucher haben die Möglichkeit, erstmalig den Prototypen des neuen Web Based Trainings (WBT) „Kommunikationsverfahren im Eisenbahnbetrieb“ zu testen. Interaktiv und anhand von praxisnahen Simulationen können die Teilnehmer dieses Trainings ihr Wissen über bestimmte Kommunikationsregeln aus dem Betrieb überprüfen und festigen. Mittels digitaler Spracherkennung und über das im Rechner integrierte Mikrofon lassen sich standardisierte Formulierungen einüben. Auf diese Weise stärken Triebfahrzeugführer ihre Kompetenz und ihre Disziplin bei der Kommunikation mit der Fahrdienstleitung – wichtig vor allem bei unvorhergesehenen Situationen. „Das Web Based Training soll helfen, Fehler zu vermeiden, Abläufe reibungsloser zu gestalten und letztlich die Sicherheit im Eisenbahnbetrieb noch weiter zu erhöhen“, erläutert Katja Kirsten von der VDV-Akademie, die das WBT gemeinsam mit DB Netz, DB Training und dem VDV entwickelt hat.
In den Bereich Public Transport – mit 22.000 Quadratmetern drittgrößtes Messesegment – wurde vor zwei Jahren das Bus Display ins Leben gerufen. Im Fokus der Aussteller steht dort die Elektromobilität. Auch in diesem Jahr wird das Gelände rund um den Sommergarten zur Präsentationsfläche für neue E-Bus-Modelle und Ladeinfrastruktur. Auf einem 500 Meter langen Rundkurs können die Besucher die Fahrzeuge in Aktion erleben. Ergänzt wird das Bus Display durch ein Rahmenprogramm. Den Trend zur Elektrifizierung des ÖPNV auf der Straße greift das in diesem Jahr erstmalig stattfindende International Bus Forum auf, das vom VDV ausgerichtet wird. Durch den Einsatz von E-Bussen erhöhen die Verkehrsunternehmen ihren Umweltvorteil und bereiten sich auf die Umsetzung der Umwelt- und Klimaschutzziele im Bereich Verkehr vor. „Der VDV hat deshalb die inhaltliche Verantwortung und Koordination des International Bus Forum übernommen“, erläutert VDV-Geschäftsführer Martin Schmitz. Die zweistündige Veranstaltung richtet sich an Betreiber, Hersteller und Zulieferer von E-Bussen im ÖPNV und ein interessiertes Fachpublikum. Messebesucher haben freien Eintritt.
Die VDV-Veranstaltungen auf einen Blick
Dialog Forum: Digitalisierung des Schienengüterverkehrs: Herausforderungen und Chancen für die Unternehmen, Mittwoch, 19. September 2018, 14-16 Uhr, Palais am Funkturm
Dialog Forum: Neue Mobilitätsdienste plus Bus und Bahn – wie verändert die Digitalisierung den Öffentlichen Verkehr? Donnerstag, 20. September 2018, 14–16 Uhr, Palais am Funkturm
International Bus Forum: Elektrobusse im ÖPNV: Lösung für Luftreinhaltung und Klimaschutz im städtischen Verkehr? Donnerstag, 20. September 2018, 14–16 Uhr, Halle 7.3, Raum Berlin
Gemeinschaftsstand von VDV, VDV-Akademie, VDV eTicket Service und weiteren Partnern:
Halle 2.2, Stand 302
Unter der Leitfrage, ob Elektrobusse im ÖPNV die Lösung für Luftreinhaltung und Klimaschutz im städtischen Verkehr sind, diskutieren Vertreter aus Politik, Verkehrsunternehmen und Industrie darüber, wie sie ihr Engagement verstärken können, um E-Bussen zum Durchbruch im deutschen ÖPNV zu verhelfen. Denn anders als in anderen europäischen Großstädten steigt die Zahl dieser Fahrzeuge hierzulande noch langsam. Woran liegt das? In das Thema einführen werden der Sonderbeauftragte für das Sofortprogramm Saubere Luft, Dr. Siegfried Balleis (Bundesverkehrsministerium), und die Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz des Landes Berlin, Regine Günther. Nach einem Erfahrungsbericht aus Eindhoven und Amsterdam geht es am Nachmittag des 20. September um die Herausforderungen, die die Einführung von Zero-Emission-Bussen im deutschen ÖPNV mit sich bringt. Auf dem Podium diskutieren Dr. Sigrid Evelyn Nikutta (BVG) und Ingo Wortmann (MVG München) sowie Vertreter aus Industrie und Wissenschaft.
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Die Messe Berlin veranstaltet die InnoTrans seit 1996 mittlerweile zum zwölften Mal. Zusammen mit dem Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB), dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sowie dem Deutschen Verkehrsforum (DVF) gehört der VDV zu den Initiatoren der InnoTrans. Zum Kreis der Trägerverbände stieß später auch der Verband der Europäischen Bahnindustrie hinzu.
Infos zu den VDV-Veranstaltung erhalten Sie unter:
www.vdv.de/innotrans.aspx
Ronald Pofalla (Foto), Vorstand Infrastruktur der Deutschen Bahn, erläutert die Pläne des Konzerns bei der Digitalisierung des Schienennetzes.
» Das Projekt „Digitale Schiene Deutschland“ (DSD) kommt einem gigantischen Modernisierungsprogramm für das deutsche Schienennetz gleich. Wie wollen Sie den Bund davon überzeugen, dass die Milliarden gut investiert sind?
Ronald Pofalla: Bis zum Jahr 2030 soll der Verkehrssektor 60 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Wir Bahnen können da den entscheidenden Beitrag leisten. Dazu muss aber mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden. Wir brauchen jedoch zusätzliche Kapazitäten im Netz und müssen zudem die Stabilität und Flexibilität des Eisenbahnsystems verbessern. Die Digitale Schiene Deutschland ist für mich hier die einzige Lösung.
» Wo rechnen Sie mit Widerständen?
Ich kann nicht erkennen, weshalb es Widerstände geben soll. Wir müssen unser System digitalisieren, damit wir im Wettbewerb noch besser werden. Aber natürlich weckt so eine massive Transformation auch Ängste. DSD dürfte eines der größten Digitalisierungsprojekte in Deutschland werden. Deshalb reden wir mit möglichst vielen Beteiligten im Bahnsektor und machen hieraus eine gemeinsame Initiative.
» Inwiefern bringt die Digitalisierung des Netzes den bedeutenden technologischen Fortschritt im Personen- und Güterverkehr?
Wir werden mit der flächendeckenden Einführung von ETCS und Digitalen Stellwerken zu einer ganz neuen Netzarchitektur kommen. Das digitalisierte Netz ist die Basis für einen digitalen und damit insgesamt besseren Bahnverkehr. Die zum Teil jahrzehntealte Technik wird auf einen neuen Stand gebracht. Sie wird dann eine höhere Stabilität bieten, das heißt weniger störanfällig, updatefähig und effizienter. Züge fahren energiesparender, und wir erreichen bis zu 20 Prozent mehr Kapazität im Netz, die wir nötig brauchen. Ein anderes Thema ist das Demografieproblem: Viele unserer Mitarbeiter im Netz erreichen in den kommenden Jahren die Altersgrenze. Hier ist es schwer, neues Personal für jahrzehntealte Technik zu finden. Mit DSD wird die Eisenbahn wieder zum Hightech-Beruf.
» Welche Chancen sehen Sie für die europäische Bahnindustrie?
Wir können der Taktgeber für die Infrastruktur der Zukunft werden. Wenn die Bahnindustrie zusammen mit den Bahnen dieses große Transformationsprojekt verwirklicht, ist das eine Blaupause für die Eisenbahnunternehmen rund um den Globus. Wir sorgen so gemeinsam für zukunftsfähige Arbeitsplätze und halten weiter im Rennen um die Technologieführerschaft in Deutschland und Europa die Nase vorn.