Kurze Busspur, aber kein Fahrweg
Von der Einrichtung längerer Busspuren parallel zum Individualverkehr sind deutsche Städte bis auf die Projekte in Wolfsburg und Ludwigsburg noch entfernt. Zwar wächst die Zahl der Fahrstreifen für Linienverkehre insbesondere in den Metropolen immer weiter, aber ganz überwiegend handelt es sich um kurze, etwa hundert Meter lange Spuren – meist nur darauf angelegt, dem Bus das Einfädeln und damit eine bessere Ausgangssituation im Stau zu ermöglichen. Mehr nicht. Mit eigenen Fahrwegen für verlässliche Busdienste hat das wenig zu tun – auch nicht mit der Qualität von französischen BHNS-Diensten für Menschen und Stadt.
Nantes zählt zu den französischen Städten, die ihren Bussen eigene, vom Autoverkehr getrennte Spuren eingerichtet haben.
Gleichwohl wächst bei den Verkehrsunternehmen das Interesse an aufgewerteten, qualifizierten Bus-Diensten, um insbesondere in den Ballungsgebieten mit hoher, wachsender Nachfrage möglichst schnell und effizient das Angebot zu verbessern. Tim Dahlmann-Resing, Vorsitzender des Allgemeinen Ausschusses für Planung im VDV, erläutert, dass „auch dort, wo der Ausbau des Bahnverkehrs sinnvoll erscheint, es vor dem Hintergrund der jahrelangen Vorlaufzeiten bis zu einer Inbetriebnahme eines Schienenprojektes auf der Hand liegt, aus Zeit- und Kostengründen kurzfristig Verstärkungsangebote mit hochwertigen Buslösungen zu schaffen“, beschreibt das Vorstandsmitglied der VAG Nürnberg im Vorwort einer neuen Verbandsbroschüre mit dem Titel „Städtische Schnellbussysteme – flexibel, aufwandsarm, attraktiv” (siehe Infokasten unten) die Lage.
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„Der Bus verkauft sich bislang unter Wert. Er ist ideal für schnelle Lösungen zur Optimierung des ÖPNV – wenn der Linienweg störungsfrei gemacht wird und er verlässlich unterwegs sein kann”, brachte es auch Volker Deutsch, zuständig für Verkehrsplanung beim VDV und Mitautor der Broschüre, kürzlich auf einer Fachtagung auf den Punkt. Ganz oben in den Überlegungen stehen Busse mit dem X vor der Liniennummer: Expressbusse, die städtische Bahnnetze ergänzen oder entlasten. Rund um Frankfurt beispielsweise gibt es X-Linien zwischen den Außenarmen des S-Bahn-Netzes und zum Rhein-Main-Flughafen. Metrobusse, Direktbusse und Schnellbusse verbessern anderswo die Qualität der Netze. Und in ländlichen Regionen sind es „Plusbus”-Dienste oder Regiobusse, die schnelle, gute Anschlüsse zum Schienenverkehr herstellen. Der Charme dieser Angebote: Sie können – leichter als komplexe Busbahn-Systeme – praktisch von heute auf morgen die vorhandene Straßeninfrastruktur nutzen, häufig ohne größere Umbaumaßnahmen. Letztlich geht es bei allen Projekten und Produkten darum, über hohe Fahrzeugfrequenzen und möglichst staufreie Routen überzeugende Alternativen zum Individualverkehr zu bieten.
Am anderen Ende der Skala neuer Bus-Ideen kommt es weniger auf das Tempo an, sondern mehr auf die verbesserte Anbindung an den ÖPNV. Die Zukunft könnte insbesondere in abgelegenen Ortsteilen und Regionen ohne Bus- und Bahn-Angebote den „Roboshuttles” gehören, die automatisch und künftig fahrerlos die Liniennetze ergänzen, auch auf den „letzten Meilen” zwischen den Haustüren der Fahrgäste und dem nächsten Knotenpunkt des ÖPNV. Aus ersten Anfängen der Verkehrsunternehmen mit selbstfahrenden elektrischen Minibussen sind bundesweit über 30 kleinere und größere Projekte geworden. Die ersten von ihnen rollen mittlerweile – mit Einzelbetriebserlaubnis und stets kontrolliert von einem „Operator” – auch in öffentlichen Straßenräumen mit überschaubarem Verkehr. Sie schwimmen im Verkehrsfluss mit, allerdings liegt aufgrund rechtlicher Vorgaben die Geschwindigkeit unter 25 km/h.
Schnellbusse bieten das Potenzial zu luftreinhaltung und Klimaschutz
Um seinen Beitrag zu leisten, die Klimaerwärmung zu begrenzen, hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Ansätze liegen bei der Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung auf stadtverträgliche Verkehrsmittel und Verkehrslenkung. Schnellbussysteme bieten einen Lösungsansatz und bewähren sich in der Praxis. Sie bieten große Chancen, den ÖPNV schnell attraktiver zu machen. Bis ein neues Schienenprojekt in Betrieb genommen werden kann, vergehen jahrelange Vorlaufzeiten. Aus Sicht des VDV liegt es auf der Hand, dass aus Zeit- und Kostengründen parallel kurzfristige Verstärkungsangebote auf Basis hochwertiger Buslösungen unterstützen müssen. Die Potenziale des Busses für Klimaschutz und Luftreinhaltung hat der VDV in einem Positionspapier ausgeführt.
www.bit.ly/schnellbus
Roboshuttles bieten Chancen im ÖPNV
Während die Automobilindustrie von der Fantasie eines vollständig autonomen Fahrens im Individualverkehr hierzulande aufgrund teurer Technologie- und Sicherheitsprobleme erklärtermaßen abgerückt ist, rechnet sich die Branche des Öffentlichen Verkehrs durchaus Chancen aus. Roboshuttles könnten, so die Vorstellung, über definierte Strecken auf elektronischer, virtueller Schiene nach Kunden-Anforderung – auf Abruf per App-Bestellung – verkehren. Auch fahrerlos, aber nur in eingeschränktem Maß autonom: Lückenlos überwacht würden diese Fahrten von den Betriebsleitstellen der Verkehrsbetriebe; im Minibus gibt es dann für die Passagiere einen Nothaltknopf für alle Fälle. Verkehrsexperten wie Martin Röhrleef von der Üstra in Hannover sehen in den heutigen, eher niedlich wirkenden Mini-Fahrzeugen ausschließlich „Demonstratoren”; die nächsten Fahrzeug-Generationen müssten eine ganz andere, viel höhere Automatisierungsqualität haben: „Unsere Testbetriebe mit den Minis zeigen sinnvolle Anwendungen im ÖPNV, mehr aber noch nicht. Ich bin sicher, dass die Industrie mit aller Macht und Milliardenaufwand Robo-Fahrzeuge für hochwertige Transportaufgaben entwickelt, neben Vans und Kleinbussen auch Pkw. Da sollte unsere Branche mit ihren lokalen Marktkenntnissen bereit stehen, maßgeschneiderte Verkehrsangebote zu entwickeln. Wenn wir es nicht tun, haben wir bald Konkurrenz von den großen Plattformen.”
Im niederbayerischen Bad Birnbach verbinden fahrerlose Shuttlebusse der DB den Bahnhof mit dem rund zwei Kilometer entfernt gelegenen Ortskern.
Klar ist im Zeitalter des Klimaschutzes, dass der Bus der Zukunft in jedem Einsatzfeld emissionsfrei unterwegs sein muss. Die Verkehrsunternehmen werden in den kommenden Jahren verstärkt auf E-Busse umsteigen, derzeit vor allem auf Batteriebusse. Nach aktuellen Erhebungen des VDV sind bereits über 300 Fahrzeuge im Betrieb und weitere 750 bestellt – Tendenz weiter steigend. Die Zahl der E-Busse könnte noch schneller steigen: Dafür wäre eine stärkere Förderung von E-Bussen und Linienbussen mit anderen alternativen Antrieben durch den Bund hilfreich. Manche Bundesländer greifen auch auf europäische EFRE-Mittel zurück und ermöglichen so Fördersätze von 80 Prozent.
Für die E-Busse schaffen die Unternehmen die nötige Infrastruktur in den Betriebshöfen und zum Laden der Akkus an Bord der Fahrzeuge. Zu den Pionieren gehört die Hamburger Hochbahn. Sie hat im Verlauf des letzten Jahres 30 E-Busse beschafft, die mittlerweile über 200.000 Kilometer im Liniendienst zurückgelegt haben. Ladeinfrastruktur an den Endhaltestellen und in einem für 240 E-Busse ausgelegten Betriebshof bereiten den umweltfreundlichen ÖPNV der Zukunft vor. Mit Interesse verfolgen die Hamburger – und andere Verkehrsbetriebe – auch die Entwicklungen der Brennstoffzellen-Technologie, denn Batterie und Brennstoffzelle zusammen an Bord können eine ausreichende Reichweite sicherstellen. Noch fehlen aber im großen Stil überzeugende – und bezahlbare – Produkte der Fahrzeugindustrie. Dennoch wird klar, dass sich die Bustechnik durch den elektrischen Antrieb – und auch den Automatisierungsbestrebungen – stetig weiterentwickelt. Es fehlt aber noch, dass die Karte „Bussystem à la France“ auch in Deutschland ausgespielt wird. Denn ein wirklich ernst genommener Klima- und Umweltschutz führt zu der Erkenntnis, dass für schnelle Erfolge auch der Bus viel öfter auf die Überholspur gesetzt werden muss.
interview
Werner Overkamp (Foto), VDV-Vizepräsident für den Bereich Bus und Geschäftsführer der STOAG Stadtwerke Oberhausen, beantwortete die Fragen von „VDV Das Magazin“.
Mit aufwendigen Busbahn-Systemen bieten viele französische Städte einen hochattraktiven ÖPNV und schaffen zugleich Lebensqualität ohne Auto. Wäre das nicht auch ein Rezept für die Verkehrswende in Deutschland?
» Werner Overkamp: Ein gutes Beispiel: Bei uns in Oberhausen wird dies erfolgreich betrieben. Um kurzfristig eine Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den ÖPNV zu erreichen, steht nur als Option der Ausbau des Systems Bus zur Verfügung. Für neue Trams oder S-Bahnen sind Vorlaufzeiten von mehreren Jahren nötig. Wichtig ist, dass für die Busbahnen ein Bundesprogramm aufgelegt wird, um deutschlandweit zügig mehr Schnellbussysteme in den Städten anbieten zu können.
Wenn es kein stadtbahnähnliches Bussystem geben kann: Müssen Kommunen und Verkehrsunternehmen nicht viel stärker als bislang mit Produkten wie Express- oder Schnellbussen nachfragegerechte, maßgeschneiderte Angebote für heute noch Auto fahrende Zielgruppen entwickeln – ergänzend und überlagernd zum heutigen Angebot?
» Schnell- und Expressbuslinien gibt es heute schon und werden weiter in Betrieb genommen. Wichtig ist, dass sie in Innenstadtbereichen auf separaten Busspuren verkehren und an den Lichtsignalanlagen bevorrechtigt werden. Andernfalls stellen sie keine Verbesserung für unsere Kunden dar.
Die Zukunft gehört dem E-Bus, in Deutschland zunächst weitgehend mit batterieelektrischem Antrieb. Ignoriert die Branche da nicht die Möglichkeiten von grünem Wasserstoff und Brennstoffzellen?
» Die E-Mobilität verspricht eine beeindruckende Entwicklung. Bei den Batterien wird eine deutliche Erhöhung der Energiedichte bis 2030 erwartet. Grüner Wasserstoff wird auch seinen Platz im ÖPNV finden. Wir vom VDV finden es gut, dass einige Unternehmen diese Antriebsart testen und weiterentwickeln.
Innovative Mobilitätsangebote sind bislang überwiegend auf Metropolen und Ballungsräume ausgerichtet, und da häufig auch nur auf die urbanen Zentren. Welche Ideen gibt es für die Mobilität in ländlichen Regionen?
» In ländlichen Regionen muss unser Augenmerk auf die Pendler gerichtet sein. Hier brauchen wir ein attraktives Angebot, um die Umstiege von den Schnellverkehrssystemen (SPNV) zu gewährleisten und hierbei die Zeiten zu verkürzen. Flexible Bedienungsformen sind hier gefordert, wie der On-demand-Verkehr.