Infrastruktur
30.08.2021

Eifelquerbahn:

Neue Ideen nach der Flut

Nach der Hochwasserkatastrophe in der Eifel wird es Jahre dauern, bis der Zugbetrieb wieder normal laufen kann. Vor Ort wird derweil eine provisorische Wiedereröffnung der stillgelegten Eifelquerbahn diskutiert. Sie könnte das von der Bahnwelt völlig abgeschnittene Gerolstein wieder mit dem Schienennetz verbinden – zumindest zum Abtransport etlicher von der Flut zum Teil schwer beschädigter Schienenfahrzeuge und als Bypass für Bauzüge mit zusätzlicher Reparatur-Kapazität.

Achslager voller Wasser und Schlamm. Die müssen ausgetauscht werden. Die Wiederherstellung unseres Fahrzeugparks wird ­Millionen kosten.

Jörg Petry, Geschäftsführer der Vulkan-Eifel-Bahn und Inhaber der AKE-Eisenbahntouristik

Jörg Petry muss sich vorkommen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Der Chef der Vulkan-Eifel-Bahn (VEB) in Gerolstein, zugleich Inhaber des Unternehmens AKE-Eisenbahntouristik, ist von den zerstörerischen Fluten gewissermaßen auf eine einsame Insel verbannt. Es gibt keinen Zugbetrieb mehr, keine befahrbaren Anschlüsse an das deutsche Schienennetz. Die Eifelstrecke Köln - Trier ist nicht nur „abgesoffen“, sondern teilweise weggerissen. DB Netz als Infrastrukturbetreiber schätzt, dass der fahrplanmäßige Betrieb nicht vor Ende 2022 aufgenommen werden kann – und dann vermutlich immer noch mit Einschränkungen.

„Schon zwei Kilometer hinter dem Bahnhof fehlen die Gleise. Da ist nichts zu machen, nicht einmal ein Inselbetrieb auf einem kurzen Teilstück“, klagt Jörg Petry. In Richtung Trier sei ein altes mechanisches Stellwerk komplett zerstört. Ein Neubau mit elektronischer Leit- und Sicherungstechnik müsse folgen. „Das kann Jahre dauern.“ In Gerolstein sehen Bahnhofsgebäude und Bahnsteige unbeschädigt aus, sind aber unterspült worden. Zudem haben die Wassermassen die Abstellanlagen, das Betriebswerk und das Containerterminal überschwemmt. Nicht hoch zwar, aber die Laufwerke vieler Fahrzeuge standen in braunen Fluten.

Aussichtswagen erlitt Totalschaden

Besondere Blickfänge: sechs auch im trüben Nass in ihrer bordeauxroten und cremefarbenen Lackierung attraktiv wirkende Reisezugwagen aus den 1960er-Jahren, aus der Zeit des TEE „Rheingold“ – unter ihnen der legendäre „Dome Car“, der Aussichtswagen. Alle wirken unversehrt, doch nur auf den ersten Blick. „Achslager voller Wasser und Schlamm – für Tempo 200 nicht mehr tauglich. Die müssen ausgetauscht werden. Die Wiederherstellung unseres Fahrzeugparks wird Millionen kosten“, schätzt Jörg Petry. Wenn überhaupt: Der Aussichtswagen mit seiner tief liegenden Technik auf dem unteren Niveau eines Doppelstockwagens wurde von Fachleuten bereits als Totalschaden eingestuft. Elektrik, Elektronik, Transformatoren – alles verloren. Ein schwacher Trost: Vorerst kann das DB Museum mit TEE-Wagen aus seinen in Koblenz-Lützel stationierten Beständen aushelfen, sodass das Touristikprogramm mit dem alten, aber eleganten Zug weiterlaufen kann, allerdings ohne Aussichtswagen.

Die Bahn-Bilanz nach der Flut

  • 600 Kilometer Schiene sind zerstört
  • 80 Bahnhöfe sind beschädigt
  • 40 Stellwerke sind beschädigt
  • 1.000 Maste müssen erneuert werden
  • sieben Strecken müssen neu aufgebaut werden
  • Schäden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro

Doch Jörg Petry brennt es auf den Nägeln, seine Schätze möglichst schnell in Werkstätten zu überführen. Gerolstein ist nicht nur Station zwischen Köln und Trier, sondern auch Endpunkt der Eifelquerbahn, die über die Städte Daun und Mayen nach Andernach an die linke Rheinstrecke Köln - Koblenz - Mainz führt. Besser gesagt, führte: In Betrieb ist die Linie aus dem vorvorigen Jahrhundert nur noch im Ostabschnitt zwischen Andernach und Kaisersesch. Die weiteren 50 Kilometer nach Gerolstein sind seit neun Jahren stillgelegt. Zwar gibt es in der Region schon länger Absichten, die gesamte Strecke wieder für den Schienenpersonennahverkehr und den Güterverkehr zu reaktivieren, doch das kann dauern.

Darum geht es dem Gerolsteiner Bahnunternehmer auch gar nicht. „Uns ist bewusst, dass ein Wiederaufbau der Eifelquerbahn für einen modernen Betrieb nur mit einer Totalsanierung möglich wird. Wir wollen aber nur die derzeitigen Gegebenheiten nutzen für einen provisorischen Netzanschluss, ohne öffentlichen Verkehr.“ Ein langes Baugleis also. Was den eingleisigen Schienenstrang nach der Flutkatastrophe so interessant macht: Auf der kompletten Strecke liegen noch die Schienen. Sie sollen weithin unbeschädigt sein, sind aber zugewachsen. Doch Jörg Petry ist sich sicher: „Das ist in zwei Wochen freigeschnitten und geschreddert. Dann könnten wir losfahren, sicher nicht mit Tempo 50 oder mehr. Aber schon Schrittgeschwindigkeit würde uns reichen, um die defekten Fahrzeuge hier aus Gerolstein wegzubekommen.“ Mehr noch: Ein funktionsfähiges Baugleis böte auch die Möglichkeit, den Wiederaufbau der Eifelstrecke Köln - Trier nicht nur von den Endpunkten zu starten, sondern Baukolonnen und Material auch von Gerolstein aus in beide Richtungen zur Rekonstruktion der Schieneninfrastruktur auf den Weg zu schicken – wie beim Tunnelbau, der auch immer von beiden Seiten aus in Angriff genommen wird.

Den Rückhalt für ihre Idee hat die VEB nicht nur in der lokalen Politik, sondern auch beim VDV. ­Dr. Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr: „Die Strecke der Eifelquerbahn ist weitgehend intakt, ihre alsbaldige Nutzung als Baugleis könnte bestimmt zu einer spürbaren Ergänzung der vielen, jetzt erforderlichen Bautätigkeiten im Bahnnetz in der Eifel führen. Um nicht mehr, aber auch nicht weniger geht es.“ Als die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei ihrer Tour durch die Katastrophengebiete in Gerolstein Halt machte, kündigte sie die Prüfung des Projektes an. Die sie begleitenden Vertreter des Deutsche-Bahn-Konzerns waren skeptisch. Die Nutzbarmachung der Eifelquerbahn würde sicher länger dauern als die Schadensbeseitigung an der Hauptstrecke. „Der Vergleich ist nicht schlüssig. Es geht ja hier nicht um die Ertüchtigung für den Personenverkehr, sondern um die Herrichtung für einen Baustellenbetrieb“, widerspricht Martin Henke: „Ich bin zuversichtlich, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.“

In Gemünd - einem Ortsteil von Schleiden in der Eifel - zerstörte die Flut diesen Linienbus (o.).

Die Schienen auf dem stillgelegten Teil der Eifelquerbahn (u.) liegen noch und müssten lediglich freigeschnitten werden, um als Baugleis zu dienen.

Warten auf die Standardisierte Bewertung

Offen ist auch, ob in einigen Jahren wieder Personenzüge auf der gesamten Eifelquerbahn fahren. Eine bereits initiierte Machbarkeitsstudie kann erst abgeschlossen werden, wenn das Bundesverkehrsministerium die Neufassung der „Standardisierten Bewertung“ vorlegt. Die neue Nutzen-Kosten-Untersuchung für Verkehrswege-Investitionen wird nicht mehr nur wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, sondern auch weitere, bislang als „weich“ geltende Faktoren wie Klimaschutz, Daseinsvorsorge und Strukturfragen ins Kalkül aufnehmen. Nach der bisherigen Beurteilung war das Projekt durchgefallen, nun hofft die breite Front der Befürworter nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Wetterkatastrophe in der Eifel, dass die Reaktivierung in naher Zukunft gelingt.

Vulkan-Eifel-Bahn

Die Vulkan-Eifel-Bahn Betriebsgesellschaft mbH (VEB) mit Sitz in Gerolstein hat Konzessionen als Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen. Sie betreibt seit gut zwei Jahrzehnten regionalen Güterverkehr auf der Schiene, übernimmt Spezialtransporte, Arbeitszugeinsätze und Überführungsfahrten auch bundesweit. Im Personenverkehr liegt der Schwerpunkt im Charterverkehr mit historischen Fahrzeugen, darunter einer eigenen Museumsdampflok der Baureihe 52. Das Schwesterunternehmen AKE-Eisenbahntouristik betreibt mit dem „Rheingold“ hochwertigen touristischen Sonderzugverkehr auf TEE-Niveau. In der Region ist eine Schienenbusflotte im Einsatz.
www.veb.de

Das könnte Sie ebenfalls interessieren