Infrastruktur
29.01.2024

„Mit gemeinsamen Anstrengungen die Schiene verbessern“

Stefan Dernbach (kl. Foto) ist seit Anfang September 2023 Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA). In einem Gastbeitrag für „VDV Das Magazin“ widmet er sich der Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik – eine Herausforderung für Bahnen, Industrie und Genehmigungsbehörden.


Die aktuelle Performance des Verkehrsträgers Schiene, unter der die Eisenbahnverkehrsunternehmen und ihre Kunden erheblich zu leiden haben, ist nach einhelliger Sichtweise nicht akzeptabel. Wir müssen gemeinsam alle denkbaren Anstrengungen unternehmen, um durchgreifende Verbesserungen zu erreichen.

Die Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik ist ein wesentlicher Baustein bei der notwendigen Optimierung der Leistungsfähigkeit und Resilienz der Eisenbahninfrastruktur in Deutschland. Dies gilt sowohl für die Eisenbahnen des Bundes als auch für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Mit dem sogenannten Starterpaket befinden sich bereits einige wegweisende Projekte in der Umsetzung.

Digitale Stellwerkstechnik und die Ausrüstung mit dem europäischen Zugsteuerungs- und Zugsicherungssystem ETCS sind wichtige Elemente der Digitalisierung des Verkehrsträgers Schiene. Eine entsprechende flächendeckende Ausrüstung sowohl infrastruktur- als auch fahrzeugseitig ist unabdingbar. Kurzfristige Erfolge sind hier zwar nicht zu erwarten; die Umsetzung erster Projekte zeigt aber, dass es der richtige Weg ist.

Dem Eisenbahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde kommt vor dem geschilderten Hintergrund eine wesentliche Rolle zu. Bereits 2018 hat das EBA in der Verordnung über die Erteilung von Inbetriebnahmegenehmigungen für das Eisenbahnsystem (EIGV) ein schlankes Genehmigungsverfahren für die Zulassung der nationalen Technik – insbesondere im Bereich der Stellwerke – eingeführt. Darüber hinaus hat die Behörde im engen Austausch mit Bahn und Industrie die Prozesse der Zulassung in der sogenannten „Sektorleitlinie“ neu gestaltet. Mit der Einführung von Innovationen wie digitalen Stellwerken, des bahnbetrieblichen IP-Netzes sowie IT-Securitytechnik und -Prozessen wurde die Sektorleitlinie entsprechend weiterentwickelt und fortgeschrieben. Die ersten Projekte haben aber bereits gezeigt, dass die bisherigen Prozesse der Zulassung solch modularer Systeme in der Nachweisführung noch verbesserungsfähig sind. Auch das Thema der Gesamtintegration dieser Systeme bis hin zur Gesamtsicherheitsverantwortung werden wir noch einmal betrachten müssen.

Die Standardisierung von Schnittstellen bei der Einführung von ETCS im Übergang von den Eisenbahnen des Bundes auf die nichtbundeseigenen Bahnen ist mir ein besonderes Anliegen.

Stefan Dernbach
Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes

Und insbesondere für den Umgang mit seriengefertigten Produkten und mit notwendigen zeitkritischen Patch-Prozessen im laufenden Betrieb müssen vollständig neue Prozesse entwickelt und eingeführt werden. Deshalb haben wir in den zurückliegenden Monaten in mehreren Workshops mit der Bahn und der Industrie nach Wegen gesucht, diese Prozesse neu zu gestalten und im Sinne der Beschlüsse der Beschleunigungskommission zu optimieren. Aktuell bewertet meine Behörde die Ergebnisse der Workshops gemeinsam mit dem Sektor. Das Ziel ist, die EIGV-Genehmigungsprozesse sowie die vorgelagerten Planungs-, Bau- und Abnahmeprozesse an die neuen Herausforderungen anzupassen.

Die Einführung von ETCS hat eine in der Eisenbahn beispiellose Umrüstung der bestehenden Eisenbahnfahrzeuge zur Folge. Zudem müssen Infrastruktur- und Fahrzeugausrüstung aufeinander abgestimmt werden; vor allem dort, wo es keine Doppelausrüstung geben wird. Auch hier spielt die sorgfältige Nachweisführung in den Genehmigungsverfahren eine entscheidende Rolle. Jedoch anders als im Infrastrukturbereich sind die Verfahren der Fahrzeuggenehmigung ausschließlich europäisch geregelt; der Spielraum für nationale Optimierungen ist somit deutlich geringer.

Die Standardisierung der Schnittstellen bei der Einführung von ETCS im Übergang von den Eisenbahnen des Bundes auf die nichtbundeseigenen Eisenbahnen ist mir ein besonderes Anliegen. Der VDV hat hier eine wichtige Funktion. Es gilt, dafür Sorge zu tragen, dass auf den Strecken der NE eine möglichst einheitliche Nachrüstung mit ETCS erfolgt, die dann über eine normierte Schnittstelle mit der Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes verknüpft werden kann. Das hilft auch den Eisenbahnverkehrsunternehmen, für die eine schnittstellenfreie Ausrüstung der Infrastruktur unabdingbar ist.

Für jedes digitale System gilt, und das müssen wir immer vor Augen haben, dass die Innovationszyklen im Vergleich zur analogen Welt deutlich kürzer und laufende Updates zum Standard werden. Das gilt für kleinere Änderungen zur Fehlerbehebung, aber auch darüber hinaus. Die anstehende Einführung von FRMCS, dem zukünftigen auf 5G basierenden Kommunikationssystem für die Schiene, ist ein gutes Beispiel dafür. Auch das Thema Automatic Train Operation (ATO) wird in den nächsten Jahren eine immer bedeutendere Rolle spielen. Umso wichtiger ist es, dass Planungs-, Bau- und Genehmigungsprozesse weiter gestrafft werden. Darum möchte ich an die Industrie und insbesondere auch an die Fahrzeughalter appellieren, alles dafür zu tun, dass notwendige Nachrüstungen künftig möglichst einfach umgesetzt werden können – sei es beispielsweise durch entsprechende Vorrüstungen bei den Verkabelungen oder auch durch Einplanung von zusätzlichen Einbaumöglichkeiten.

Zur Optimierung der Genehmigungsprozesse gehört im Übrigen auch, dass die Verfahren soweit wie möglich digital ablaufen. Das Eisenbahn-Bundesamt ist hier auf einem guten Weg. Wir haben bereits mit der Einführung des sogenannten E-Service eine durchgehende elektronische Beantragung von Genehmigungen in einigen Verfahren etabliert. Das werden wir in den nächsten Jahren konsequent fortführen.

Eisenbahn-bundesamt (EBA)

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist die zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für alle bundeseigenen Eisenbahnen und zugleich zuständige Aufsichtsbehörde für die nichtbundeseigenen Eisenbahnunternehmen, die einer Sicherheitsbescheinigung oder Sicherheitsgenehmigung bedürfen. Als selbstständige Bundesoberbehörde unterliegt das EBA der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Seit September 2023 ist Stefan Dernbach Präsident des EBA. Der Jurist ist seit 1994 im EBA tätig. Vor seiner Ernennung zum Präsidenten leitete er die Abteilung 5, in der die Bereiche Planfeststellung, Umwelt und Fahrgastrechte angesiedelt sind. Zuvor hatte Stefan Dernbach verschiedene Funktionen unter anderem im Justiziariat und als Leiter des Referates für die Gefahrgutaufsicht wahrgenommen.

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