Grenzenlos
CO2: Auf null bis 2025
Allen Bekenntnissen der Politik in Sachen Verkehrswende zum Trotz: Das Auto bleibt Fortbewegungsmittel Nummer eins in Deutschland. Seit Jahren liegt sein Anteil im Modal Split bei rund 54 Prozent. Ein Blick nach Kopenhagen zeigt jedoch: Wird ausreichend in die Verkehrsinfrastruktur von ÖPNV und Fahrrad investiert, kann diese Verteilung ganz anders aussehen.
Auf der Königin-Louise-Brücke herrscht wieder Hochbetrieb. Durchschnittlich 48.400 Radfahrer nutzen sie jeden Werktag. Keine Frage: Der Drahtesel ist das beliebteste Fortbewegungsmittel der Kopenhagener. Von ihnen nutzen 62 Prozent das Rad, um innerhalb der Stadtgrenzen zur Arbeit oder zur Schule zu kommen. Weniger als jeder Zehnte wählt das Auto. Der Grund für diese Verteilung hat dabei wenig mit einem grünen Gewissen zu tun. „Nur sieben Prozent der Menschen nehmen das Rad, weil es umweltfreundlicher ist“, beschreibt Marie Kåstrup, Leiterin des Fahrradprogramms der Stadt. Für die Mehrheit seien vor allem praktische Faktoren entscheidend: „Es ist eben das schnellste und einfachste Transportmittel.“ Kein Wunder also, dass Kopenhagen seit Jahren daran arbeitet, den Radverkehr noch schneller, sicherer, komfortabler zu machen. Schließlich soll sein Anteil am Modal Split noch weiter steigen, vor allem, was den Gesamtverkehr angeht (siehe Infobox). Die Liste der Maßnahmen ist lang: neue Brücken, mit denen Radfahrer Flüsse und Hafenbecken nicht mehr umständlich umfahren, sondern direkt überqueren können; mindestens 2,20 Meter breite Radschnellwege, die ein zügiges Vorankommen garantieren; viele weitere Radwege, die baulich vom Straßenverkehr getrennt wurden; grüne Welle für Radfahrer oder auffällige Markierungen – all das sind nur einige Beispiele.
Den Umweltverbund stärken
Hinter all dem steckt ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2025 will Kopenhagen die erste CO2-neutrale Hauptstadt der Welt werden. Der grünen Mobilität und insbesondere dem Rad kommt dafür im 2009 verabschiedeten Klimaplan „CPH 2025“ eine Schlüsselrolle zu. „Radfahren ist einfach fest in unserer Kultur verwurzelt“, sagt Jeppe Grønholt-Petersen, Abteilungsleiter Mobilität in der Kopenhagener Stadtentwicklung. Doch auch der ÖPNV solle gestärkt werden, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen, weg vom Auto. „Unser Ziel ist ein ÖPNV-Anteil von 33 Prozent. Der Pkw soll entsprechend auf ebenfalls ein Drittel sinken, die Nutzung des Fahrrads in etwa gleich bleiben.“ Um das zu erreichen, soll der ÖPNV vor allem intermodaler werden. Die Stadt spricht von einem „integrierten Transportsystem“. Eine bessere Verzahnung der Angebote oder nur noch eine Fahrkarte für die innerstädtische Reisekette bilden nur einige Bausteine auf diesem Weg. Und ohnehin gibt es in Dänemark bereits eine landesweit einsetzbare Ticketing-App.
Modal Split und ÖPNV in Kopenhagen
Laut Stadtverwaltung beträgt der Anteil des Pkw am Gesamtverkehr in Kopenhagen 43 Prozent. Der Radverkehr kommt auf 35 Prozent, der ÖPNV auf 22 Prozent. Verglichen mit Deutschland spielt der Umweltverbund dennoch eine deutlich größere Rolle.
Der ÖPNV in Kopenhagen ist anders organisiert als in Deutschland. Die Verkehre werden durch private Unternehmen erbracht, die sich teilweise aber im staatlichen Besitz befinden. In Kopenhagen gibt es drei Betreiber. Die Metro wird durch Metro Service A/S betrieben, die S-Bahn durch die Dänische Staatsbahn. Movia ist für den Busverkehr verantwortlich und vergibt die verschiedenen Linien wiederum an private Subunternehmer.
Auch bauliche Maßnahmen spielten und spielen eine wesentliche Rolle. Mit dem Bahnhof Flintholm wurde etwa ein wichtiger Knotenpunkt für den Metro-, S-Bahn- und Busverkehr umgebaut, um das Umsteigen zwischen den Verkehrsmitteln zu erleichtern. 2019 eröffnet zwischen Kopenhagen und dem 60 Kilometer entfernten Ringsted die erste dänische Schnellfahrstrecke für den Regionalverkehr, die die Reisezeit zwischen den Städten von 59 auf 38 Minuten reduzieren und so das Umland besser anbinden soll. Das bislang größte städtische Infrastrukturprojekt, so Grønholt-Petersen, sei jedoch die Erweiterung der Metro. Diese umfasst bisher nur zwei Linien. Mit der M3 wird 2019 eine 15,5 Kilometer lange Ringlinie („Cityringen“) in Betrieb gehen. Hinzu kommt die Hafenlinie M4, die in zwei Teilstücken 2020 und 2024 eröffnen soll. „Auf dem Weg zu einem stärkeren ÖV ist das eine wichtige Maßnahme“, sagt Grønholt-Petersen. „Sie wird das Angebot in Kopenhagen erheblich verändern und verbessern.“ Die Hoffnung kommt nicht von ungefähr: Seit ihrer Inbetriebnahme 2002 habe die Metro mit stetig steigendem Anteil erheblich zum Fahrgastwachstum beigetragen. 60,9 Millionen Passagiere nutzten die Züge in 2016 – fast drei Mal so viel wie im ersten vollen Betriebsjahr 2003.
Egal, ob Ausbau des Radnetzes oder des ÖPNV: Viele Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren in diese Projekte geflossen. Konkrete Zahlen für den Ausbau des ÖPNV kann die Stadt nicht nennen. Wohl aber, dass seit 2004 rund 278 Millionen Euro in Maßnahmen rund ums Rad geflossen seien. Ein Großteil davon übernahm Kopenhagen, sechs Prozent der Staat. Und rund ein Fünftel steuerten private Geldgeber bei. Sowohl Rad als auch ÖPNV profitieren dabei vom dänischen Ehrgeiz in Sachen Klimaschutz, der mit einer entsprechenden Investitionsbereitschaft einhergeht. Dass die Vision einer klimaneutralen Stadt nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen die Zahlen. Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2015 um ein Fünftel gegenüber 2005 zu reduzieren, hat Kopenhagen überpünktlich erreicht: in 2011.
Mehr Infos zum
Kopenhagener Klimaplan:
tinyurl.com/y9f7vns6