Verkehrspolitik
06.07.2021

Die Reise in ein neues und erfolgreiches Eisenbahnzeitalter hat begonnen

Doppelt so viele Fahrgäste bis 2030, mindestens 25 Prozent Marktanteil im Güterverkehr: Die Ziele für die Schiene sind anspruchsvoll. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (MdB) erläutert in seinem Gastbeitrag für „VDV Das Magazin“ die Eisenbahnpolitik.

Mit dem Zug ohne Umsteigen von Paris über Berlin nach Warschau in den Urlaub fahren. Im Halbstundentakt per ICE zum Geschäftstermin nach München, Stuttgart oder Dresden reisen. Oder auf neuer S-Bahnstrecke von Schleswig-Holstein nach Hamburg zur Arbeit pendeln. Und das alles in komfortablen, digital gut ausgestatten Zügen. Was heute vielleicht noch nach Wunsch klingt, soll bald Realität sein. Mit unserer neuen Eisenbahnpolitik stellen wir die Weichen und sorgen dafür, dass Bahnfahren attraktiv und bei den Menschen angesagt ist. Denn für mehr Klimaschutz brauchen wir eine starke Schiene und eine leistungsfähige Eisenbahn.

Deshalb haben wir uns anspruchsvolle Ziele gesetzt: Bis 2030 wollen wir die Zahl der Fahrgäste im Personenverkehr verdoppeln. Zugleich soll der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene auf mindestens 25 Prozent steigen. Dafür arbeiten wir intensiv mit allen Akteuren der Branche zusammen. Wir investieren, modernisieren und digitalisieren. Und wir setzen auf einen abgestimmten Fahrplan für das ganze Land, den Deutschlandtakt. Mit ihm wird das Umsteigen leichter, Verbindungen werden verlässlicher und Reisezeiten oftmals deutlich kürzer. Wie das funktioniert, erleben Fahrgäste bereits zwischen Hamburg und Berlin, wo die Züge alle 30 Minuten fahren. Nach und nach ergänzen wir den Takt auf weiteren Strecken. Schon im Dezember kommt er auf die Südbahn und damit nach Schwaben und an den Bodensee. Mit unserem Ansatz tragen wir zu einer stärkeren europäischen Vernetzung sowie einem Europatakt bei. Eine Grundlage dafür bildet das von uns entwickelte Konzept TransEuropExpress 2.0. Damit werden europaweite, direkte Hochgeschwindigkeits- und Nachtverkehre möglich. Im Mai haben zahlreiche EU-Staaten ihre Unterstützung fest zugesagt.

Was Taktverkehre brauchen, ist eine leistungsstarke, moderne Infrastruktur. Damit sie schneller gebaut werden kann, haben wir gleich vier Beschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht und Verfahren vereinfacht. Das Wichtigste ist aber: Wir investieren auf Rekordniveau. 86 Milliarden Euro stehen bis Ende 2029 für das Erhalten und Modernisieren des Bestandsnetzes bereit. Aus dem Klimaschutzprogramm 2030 gibt es elf Milliarden Euro zusätzlich. Eine Milliarde Euro jährlich können die Länder und Kommunen als GVFG-Finanzhilfe für Schienenprojekte abrufen. Im Jahr 2025 sind es zwei Milliarden Euro, die ab 2026 jedes Jahr dynamisch wachsen. Zugleich legen wir bei den Investitionen in Schienenstrecken deutlich zu: So steigen die jährlichen Mittel von jetzt 1,5 Milliarden Euro auf zwei Milliarden Euro im Jahr 2023.

Mit diesem Geld bauen wir Gleise, modernisieren Bauwerke, elektrifizieren Strecken, finanzieren neue Gleisanschlüsse und machen Bahnhöfe attraktiver. Zugleich treiben wir die Digitalisierung der Schiene weiter voran. Dabei geht es zum Beispiel um das flächendeckende Einführen digitaler Stellwerke und von ETCS, den neuen europäischen Standard bei der Leit- und Sicherungstechnik. Der erste digitalisierte Bahnknoten in Deutschland wird die Metropolregion Stuttgart.

Digitaler, effizienter und innovationskräftiger soll auch der Güterverkehr auf der Schiene werden. Kompass dafür ist unser Masterplan Schienengüterverkehr. Eine der darin enthaltenen Maßnahmen ist das Absenken der Trassenentgelte: Seit 2018 investieren wir hierfür Mittel des Bundes. In diesem und nächstem Jahr entlasten wir die Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits jeweils um 350 Millionen Euro. Für den Ausgleich der wirtschaftlichen Schäden aus der Pandemie entwickeln wir derzeit zusätzlich ein Programm. Damit wollen wir die Trassenentgelte im Fern- und Güterverkehr zumindest für die Zeit zwischen März 2020 und Dezember 2021 zu 98 Prozent fördern.

Digitale S-Bahn Hamburg: Im Rahmen dieses Projekts wird das automatisierte Fahren erstmalig im deutschen Eisenbahnverkehr umgesetzt.

Wir helfen, damit der Schienensektor so gut wie möglich durch die schwierige Phase der Pandemie kommt. Ein Schwerpunkt ist dabei auch der ÖPNV. Er ist das Rückgrat eines nachhaltigen Verkehrssystems und gehört zu den Mobilitätsgaranten in der Pandemie. Trotz rasant sinkender Fahrgastzahlen sind Bahnen und Busse weiter im vollen Umfang gefahren. Die Verkehrsunternehmen und ihre Mitarbeiter machen einen großartigen Job. Aber klar ist: Die Einnahmeausfälle sind erheblich. Für die Jahre 2020 und 2021 rechnet die Branche mit finanziellen Nachteilen in Höhe von bis zu sieben Milliarden Euro. Da dem Bund ein funktionierender ÖPNV wichtig ist, haben wir die Regionalisierungsmittel bereits im vergangenen Jahr um 2,5 Milliarden Euro aufgestockt. Und wir sind nochmals bereit, sie um eine weitere Milliarde Euro zu erhöhen. Damit erhalten wir einen leistungsfähigen ÖPNV. Jetzt geht es darum, das Vertrauen wieder zu steigern und Fahrgäste zurückzugewinnen. Die Kampagne #BesserWeiter von Bund, Ländern und öffentlichen Verkehrsunternehmen wird dabei helfen.

Klar ist: Ein gut genutzter ÖPNV ist ein Baustein zum Erreichen unserer Klimaziele. Bei der Verabschiedung des novellierten Klimaschutzgesetzes im Kabinett habe ich deshalb deutlich gemacht, dass wir den Ausbau des ÖPNV weiter beschleunigen und noch mehr in die Infrastruktur investieren müssen. Es geht zudem darum, Anreize zu setzen und mehr Menschen zum Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu motivieren. Unser gemeinsames Anliegen ist es, die 20er-Jahre zum Jahrzehnt von Schiene und Eisenbahn zu machen. Die Reise hat erst begonnen.

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