Branche zeigt Solidarität

Der russische Angriff auf die Ukraine hat in Europa die größten Fluchtbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Den Schutzsuchenden helfen die Verkehrsunternehmen vielerorts und auf vielfältige Weise, etwa mit Fahrzeugen, Mobilität, Informationen und Hilfestellungen. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter packen mit an – viele von ihnen ehrenamtlich. Hinzu kommen Hilfstransporte auf der Straße und per Güterbahn direkt ins Kriegsgebiet.


Vor dem Berliner Hauptbahnhof geht es derzeit nicht immer nur um die Weiterreise. Wenn Züge aus Polen eingetroffen sind, vollbesetzt mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, dreht sich zunächst einmal viel um praktische Hilfe, Zuspruch und manchmal auch um Süßigkeiten und Spielzeug für die Kinder. „Wir sind Schockbetreuer und Seelsorger“, sagte BVG-Verkehrsmeister Cihan Karadag der Berliner Zeitung, die im März darüber berichtete, wie die Geflüchteten ankommen und weiterreisen. Zu Hunderten steuern sie auf die Haltestelle vor dem Bahnhofsgebäude zu. „Dann muss es schnell gehen“, wird Cihan Karadag zitiert. Der BVG-Verkehrsmeister ruft Busse und Fahrpersonal herbei, die die Menschen weiter zu den Ankunftszentren bringen. „Innerhalb weniger Minuten beginnt eine mittlerweile eingespielte Maschinerie zu laufen“, hat die Berliner Zeitung beobachtet.

Kommunen wissen die Hilfe zu schätzen

Es sind Situationen wie diese, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen wertvolle Unterstützung leisten. Das macht sie nicht nur bei den Geflüchteten, sondern auch bei den Kommunen zu gefragten Helfern. „Für unsere Mitarbeitenden sind außergewöhnliche Belastungen und kritische Situationen im Job nicht ungewöhnlich, daher leisten sie aktuell bei der Ankunft und Aufnahme der Geflüchteten vor Ort oft Hilfestellungen jeglicher Art“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann. Auf diese Weise unterstützt die Branche seit Kriegsbeginn auch Bund, Länder und Kommunen dabei, die Geflüchteten zu empfangen und weiterzubefördern.

BVG-Verkehrsmeister Cihan Karadag ­koordiniert vor dem Berliner Hauptbahnhof die Weiterreise der Flüchtlinge.

Auf der langen Strecke über die Grenzen kommen Züge und Reisebusse zum Einsatz. In den deutschen Städten und Kommunen übernehmen die ­ÖPNV-Fahrzeuge die weitere Verteilung. Dafür stehen Mitarbeitende und die Fahrzeuge der Unternehmen an den Haupt- und Omnibusbahnhöfen bereit, um Aufnahmezentren, Sammelstellen und erste Unterkünfte anzusteuern. Außerdem werden beispielsweise Impfbusse vorgehalten, um Geflüchteten ein Impfangebot zu machen. „Wir fahren, informieren, helfen, impfen und vermitteln“, fasst es Ingo Wortmann zusammen.

„Es ist davon auszugehen, dass die Flüchtlingsströme längere Zeit anhalten werden, so dass wir uns auf einen längeren Zeitraum der Hilfestellung einstellen sollten“, erläutert VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Damit die Menschen aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet sowie innerhalb Deutschlands weiterreisen können, hatte der VDV mit der Bundes­regierung und der Verkehrsbranche vereinbart, wie verfügbare Kapazitäten an Fahrzeugen und Personal identifiziert, gebündelt und eingesetzt werden können. Verschiedene Verkehrsunternehmen stellen dafür Reisebusse zur Verfügung oder sogar ukrainischsprachiges Personal. Zusammen mit der Deutschen Bahn, hier speziell der DB Schienen­ersatzverkehr GmbH (DB SEV), hat der VDV geregelt, dass sämtliche zusätzliche Transportmöglichkeiten – Busse und Fahrpersonal – über den VDV an die DB SEV GmbH übermittelt werden.

Bild oben: Viele ÖPNV-Unternehmen, wie hier die Düsseldorfer Rheinbahn, steuern Fahrzeuge und Personal bei. Die Flüchtlinge dürfen deutschlandweit gratis mit Bussen und Bahnen fahren.

Bild unten: Im polnischen Rzepin kommen Schutzsuchende mit der Bahn und Bussen an. Mit DB Regio Bus und seinen Partnern geht es weiter.

So entsteht ein gemeinsamer Fahrzeugpool, zu dem DB Regio eine erhebliche Anzahl von Bussen beisteuert. Die DB SEV ihrerseits stellt dem koordinierenden Mitarbeiter des Bundesamts für Güterverkehr (BAG), der von der Bundesregierung benannt wurde, die notwendigen Transportkapazitäten zur Verfügung. Beim BAG wiederum werden dann die unterschiedlichen Anforderungen mit den Transportleistungen organisiert. Die Verkehrsunternehmen stellen Fahrzeuge samt Fahrpersonal an der deutschen Grenze sowie an den Ankunftsorten in Deutschland bereit, um die Beförderung an die Zielorte zu jeder Zeit zu gewährleisten.

Nach Deutschland geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer können dabei bis auf Weiteres bundesweit kostenlos und ohne Fahrschein alle Angebote des Schienenpersonennahverkehrs und des ÖPNV nutzen. Es reicht, ein ukrainisches Ausweisdokument vorzuzeigen. Das gilt auch für den Fernverkehr auf der Schiene, wo „Null-Euro-­Tickets“ zum Einsatz kommen. Darüber hinaus bringen Güterzüge verschiedener Eisenbahnunternehmen wie DB Cargo mit seiner Schienenbrücke dringend benötigte Hilfsgüter zur polnisch-ukrainischen Grenze und bis in die Ukraine.

Auch politisch hat der VDV klar Stellung bezogen und eine Resolution gegen den Krieg in der Ukraine verabschiedet. Dort heißt es unter anderem: „Frieden ist das stärkste und wichtigste Argument für die freie und demokratische Gesellschaft, in der wir in der Europäischen Union leben. Diesen Frieden gilt es mit allen Mitteln zu verteidigen und zu erhalten.“ Unter den 300.000 Menschen aus aller Welt, die in den Verkehrsunternehmen und -verbünden arbeiten, gibt es auch zahlreiche mit ukrainischen und russischen Wurzeln. Auch sie arbeiten dort friedlich und engagiert zusammen. „Die Branche ist multikulturell und spricht sich gegen jede Form von Gewalt und Unterdrückung aus“, betont VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Wir stehen für Vielfalt, Freiheit und Gemeinschaft.“

Mehr zur VDV-Resolution zum Krieg in der Ukraine:
www.vdv.de/resolution

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