Verkehrspolitik
24.02.2021

Bahnverbände:

„Die nächste Bundesregierung muss Tempo machen“

Die Infrastruktur ausbauen, die Schiene konsequent ­digitalisieren, die Verkehrswende forcieren. Das fordern die Bahnverbände von der künftigen Bundesregierung. Die müsse das Tempo erhöhen und der Schiene Priorität einräumen.


Am 26. September wird der neue Bundestag gewählt. Schon jetzt liegen die wichtigsten Forderungen der Bahnverbände an die Politik auf dem Tisch. Die Eisenbahn-Infrastruktur müsse für den Deutschland-Takt ausgebaut, die Digitalisierung der Schiene vorangetrieben und die Verkehrswende forciert werden, heißt es in einem gemeinsamen Papier. „Eisenbahn-Politik ist keine Schnell-Schnell-Politik“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann bei der Vorstellung der Kernforderungen. Ein „langer Atem“ sei vonnöten: „Wir müssen jetzt viele Dinge starten, deren Früchte wir später ernten.“ Mit Blick auf die Klimaziele und teure Strafzahlungen beim Verfehlen der Ziele „müssen wir jetzt die Schiene weiter stärken – und das ist im Europäischen Jahr der Schiene auch der richtige Zeitpunkt.“

Die amtierende Bundesregierung habe viel für den Eisenbahnsektor geleistet, heißt es anerkennend vom Branchenverband VDV und sieben weiteren Verbänden. Nach der Wahl müsse jedoch das Tempo erhöht werden und die Schiene Vorrang haben. Von überragender Bedeutung sei das Klimaschutzprogramm 2030, das nur mit mehr Schienenverkehr gelingen kann. Die acht Bahnverbände pochen nun darauf, dass die Politik ihre Zusagen umsetzt.

1.

Infrastruktur ausbauen:

Hier liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Schienenpolitik. Spätestens ab Mitte der nächsten Legislaturperiode muss der Bund die Mittel für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes auf mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. Ausbau und Modernisierung der Schieneninfrastruktur müssen finanziell langfristig abgesichert sein – wie es bereits beim Erhalt des Netzes der Fall ist. Dafür eignet sich ein staatlicher Bahninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild. Auf dem Weg zum Deutschland-Takt müssen Bund und Branche Zwischenschritte mit konkreten Angebotsverbesserungen und Terminen definieren. Für jede einzelne Etappe muss der Bund den nötigen Infrastrukturausbau finanziell absichern. Auch die Eisenbahninfrastruktur, die sich nicht im Bundesbesitz befindet, benötigt eine stärkere Förderung. Nur so kann die „letzte Meile“ vom und zum Kunden attraktiv gestaltet werden.

2.

Bahnsystem digitalisieren:

Sowohl der Bahnbetrieb als auch die Infrastruktur werden durch Digitalisierung leistungsfähiger und zuverlässiger. Dabei geht es insbesondere um vier Weichenstellungen. Deutschland muss in einem finanziellen und organisatorischen Kraftakt das gesamte Bundesschienennetz bis 2035 digitalisieren. Die Schlüsseltechnologie für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr ist die Digitale Automatische Kupplung (DAK). Es kostet mehr als acht Milliarden Euro, die europaweit 450.000 Güterwagen in diesem Jahrzehnt umzurüsten – eine „Herkulesaufgabe“, so die Verbände. Dafür brauchen die Eisenbahn-­Unternehmen eine finanzielle Unterstützung vom Bund und der EU.
Im öffentlichen Personenverkehr müssen durchgehende Tickets von Tür zu Tür die Regel werden. Dazu gehören branchenweite Informationen über Fahrpläne aller Anbieter in Echtzeit und über moderne Fea­tures wie Auslastungsdaten.
Für Innovationen muss der Bund mehr Anreize setzen, etwa durch eine Aufstockung des „Bundesprogramms Zukunft Schienengüterverkehr“ und einen Innnovationsbonus für Investitionen in digitale, emissionsfreie Technologien.

3.

Verkehrswende forcieren:

Mit einem substanziell höheren Marktanteil der Schiene kommt Deutschland beim Klimaschutz voran. Mehr Verkehr auf der Schiene bedeutet mehr Lebensqualität für alle: weniger Staus, weniger Abgase, weniger Flächenverbrauch und weniger Verkehrsopfer. Drei Dinge sind für eine Verkehrswende dringend erforderlich:
Der Bund muss sich wieder Gestaltungsspielraum beim Einsatz der Lkw-Mauteinnahmen verschaffen – weg vom Prinzip „Straße finanziert nur Straße“. Vielmehr gilt es, zum Grundsatz „Verkehr finanziert Verkehr“ zu kommen. Finanzieren lässt sich das höhere Tempo bei der Verkehrswende mit den Mitteln aus der Lkw-Maut, dem Abbau umweltschädlicher Subventionen und CO2-Abgaben.
Die Schiene muss beim Neu- und Ausbau von Verkehrs­infrastruktur Priorität im Bundeshaushalt bekommen und mindestens zwei Drittel dieses Etats erhalten.
Für eine Verkehrswende bedarf es zusätzlich einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Dafür gilt es, die Bahnen von der Stromsteuer zu befreien, die EEG-Umlage für elektrisch betriebene Züge zu senken, einen Rahmen für zukunftsfähige Einzelwagenverkehre zu setzen und die Entgelte für die Infrastrukturnutzung im Personen- und Güterverkehr dauerhaft zu reduzieren. Gebühren, die als Sonderlast nur den Eisenbahnsektor treffen, müssen abgeschafft werden.

Acht Bahnverbände positionieren sich gemeinsam

Angesichts zunehmender klimapolitischer Herausforderungen braucht Deutschland eine starke Eisenbahn. Die Grundlage hat die amtierende Bundesregierung in der zu Ende gehenden Legislaturperiode geschaffen. Das ist auch ein Verdienst von Allianz pro Schiene, BAG SPNV, Mofair, NEE, VCD, Verband der Bahnindustrie, VPI und VDV, die sich gemeinsam positioniert haben. Auf Initiative des VDV präsentierten sie vor vier Jahren erstmals drei Kernforderungen für den gesamten Eisenbahnsektor: Einführung des Deutschland-Takts, Halbierung der Trassenpreise und ein nationales Forschungsprogramm. Auch bei Branchenforderungen wie der Vereinfachung des Planungsrechts und der Überarbeitung der Standardisierten Bewertung gab es Fortschritte. Wie der Weg nun weitergehen muss, erläutert auch die Broschüre der Bahnverbände, die die drei Kernforderungen weiter ausführt.

www.vdv.de/bahnverbaende

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