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Innovationen
29.01.2020

„Mobility inside“:

App im Praxis-Check

Informieren, buchen, bezahlen – und das über nur eine App für ganz Deutschland. „Mobility inside“ heißt diese digitale Plattform, die es künftig einfacher macht, mit dem ÖPNV, im Fernverkehr oder mit Sharing-Fahrzeugen unterwegs zu sein. Seit dem Herbst läuft in verschiedenen Regionen ein Feldversuch mit 1.900 Nutzern. „VDV Das Magazin“ schaute einem von ihnen über die Schulter.

Wenn Gergely Pogonyi vor die Tür tritt, breitet sich die Vielfalt des Öffentlichen Verkehrs förmlich vor ihm aus. Tram- und Buslinien sind fast unmittelbar erreichbar, nur wenige Gehminuten entfernt fahren U- und S-Bahnen sowie die Züge des Nah- und Fernverkehrs ab. Gergely Pogonyi ist Mitarbeiter der Rhein-Main-Verkehrsverbund Servicegesellschaft (rms), die ihren Sitz direkt gegenüber dem Frankfurter Hauptbahnhof hat. In dem sechsstöckigen Gebäude arbeiten Verkehrs- und Stadtplaner, Ingenieure, IT-Spezialisten und Experten weiterer Fachrichtungen an der Zukunft der Mobilität. Und das nicht nur für den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) als Mutterunternehmen, sondern auch für Auftraggeber aus ganz Deutschland.

Je mehr Testfälle wir generieren, desto besser können wir die App weiterentwickeln.

Matthias Rabe, rms-Teamleiter Marktforschung, Qualitätsmanagement und Mobilitätsforschung

Gergely Pogonyi wirkt ebenfalls an dieser Zukunft mit – beruflich und privat. Der 43-Jährige ist einer von bundesweit 1.900 Kunden, die derzeit für zehn Verkehrsverbünde und -unternehmen „Mobility inside“ eingehend testen. Die App bündelt die Vielfalt des Öffentlichen Verkehrs und bringt sie auf das Smartphone. Der rms-Mitarbeiter ist ein „Friendly User“. Mit kritischem Blick, aber gleichzeitig sehr aufgeschlossen wirkt er an der Weiterentwicklung der App mit. Wenn er auf seinem Weg zur Arbeit oder in seiner Freizeit öffentliche Verkehrsmittel nutzt, tippt er auf seinem Smartphone die digitale Mobilitätsplattform der Verkehrsbranche an.

GESELLSCHAFT GEHT an den START

„Mobility inside“ soll die Plattform für den gesamten Öffentlichen Verkehr in Deutschland werden. Das Hintergrundsystem liefert alle Daten für den Ticketkauf an bestehende regionale Apps. Um die Branchenlösung nach dem Test marktreif zu machen, haben die zehn Gründungsinitiatoren (Foto) im Dezember 2019 eine rechtlich eigenständige Gesellschaft gegründet.

Am laufenden Test beteiligen sich:

  • Deutsche Bahn (DB)
  • Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV)
  • Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG)
  • Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA)
  • Dortmunder Stadtwerke (DSW 21)
  • Stuttgarter Straßenbahnen (SSB)
  • Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG)
  • RheinNeckar Verkehr (RNV)
  • Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB)
  • Donau-Iller-Nahverkehrsverbund GmbH (DING)

Augenblicklich erscheinen auf seinem Display verschiedene Optionen und Verkehrsmittel, die ihm für seine Reisekette zur Verfügung stehen. Unter jeder Verbindung steht ein Button mit dem Preis für die passende Fahrkarte. „Ich brauche jetzt nur noch eine App“, sagt Gergely Pogonyi, der vorher etwa bei Fahrten mit der Bahn oder über die Grenze von Verkehrsverbünden hinweg mit zwei Apps hantieren musste. „Die App ist sehr übersichtlich, alles funktioniert schnell und unproblematisch“, schildert er seine bisherigen Erfahrungen. Besonders praktisch findet er, dass die angebotenen Verbindungen in einer Kartenansicht dargestellt werden. „Das ist eine große Hilfe – vor allem, wenn ich in einer fremden Stadt unterwegs bin oder innerhalb Frankfurts mal zu Fuß gehen möchte.“

Community-Portal leistet wertvolle Hilfe

Um die App zu nutzen, mussten sich die Testkunden lediglich einmal registrieren. Nicht nur die Suche nach Fahrplaninformationen und die Buchung eines Tickets sind als Funktionen in „Mobility inside“ integriert, sondern ebenfalls die Abrechnung. „Auch das testen wir unter realen Bedingungen. Bezahlt wird mit echtem Geld“, verdeutlicht Matthias Rabe. Er ist Teamleiter Marktforschung, Qualitätsmanagement und Mobilitätsforschung bei rms. Matthias Rabe behält im Auge, welche Verbesserungsvorschläge die etwa 1.900 Testerinnen und Tester machen. Bei der einheitlichen Erfassung und Auswertung leistet ein Community-Portal wertvolle Hilfe. Dort können Nutzer Fehler, die ihnen auffallen, sowie Bewertungen einzelner Funktionen oder grafischer Darstellungen eingeben. 250 Kommentare, Vorschläge und Wünsche wurden allein schon von Testern aus dem RMV-Gebiet gepostet – eine engagierte und meinungsstarke Community. „Wir wollen möglichst detailliert erfassen, ob die Nutzer verständlichere oder andere Lösungen als unsere Entwickler finden“, erläutert Matthias Rabe.

„Mobility inside“ stellt die angebotenen Verbindungen in einer Kartenansicht dar und bietet eine eigene Schaltfläche für das Ticketing.

Abgefragt wird unter anderem, wie wichtig ihnen bestimmte Funktionen sind oder welche anderen Mobilitäts-Apps genutzt werden. Auch Gergely Pogonyi hat Verbesserungsvorschläge: Er wünscht sich beispielsweise mehr Flexibilität beim Ticketkauf. Denn unmittelbar nach der Buchung per Tipp auf den Bezahlbutton „tickt die Uhr“ für die auf 240 Minuten befristete Gültigkeitsdauer eines Einzelfahrscheins. Außerdem gilt das Ticket dann erst ab dem Zeitpunkt der gewählten Verbindung. „Das ist in der Stadt ein Hindernis, wenn man beispielsweise spontan doch schon eine frühere Bahn nehmen will.“ Das sind nur zwei von zahlreichen Beispielen, bei denen sich die Entwickler mit der Komplexität unterschiedlicher Tarifsysteme und der Heterogenität der Verkehrsbranche auseinandersetzen müssen. Um solche Aufgaben zu lösen, bleibt jetzt mehr Zeit. Der ursprünglich auf das Jahresende 2019 befristete Testlauf wurde bis Ende März 2020 verlängert. Matthias Rabe und seinem Team kommt das sehr gelegen. „Viele Ideen können im Piloten in der Kürze der Zeit noch nicht umgesetzt werden. Aber je mehr Testfälle wir generieren, desto besser können wir die App weiterentwickeln.“


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Informationen dazu: www.mobilityinside.de

Drei Fragen an

Prof. Knut Ringat (Foto) macht sich als RMV-Geschäftsführer und VDV-Vizepräsident für die gemeinsame App der Verkehrsbranche stark.

Herr Prof. Ringat, welche Chancen bietet „Mobility inside“ der Verkehrsbranche, auch den kleineren Unternehmen?
» Prof. Knut Ringat: Als Brancheninitiative hat „Mobility inside“ im Blick, dass die Mobilitätsbranche sehr heterogen ist. Bei „Mobility inside“ begegnen sich nicht nur alle beteiligten Partner auf Augenhöhe, sondern wir haben auch kleinere Unternehmen im Blick, die über keine eigenen IT-Abteilungen verfügen. Wir unterstützen diese Unternehmen, ihre vorhandenen Daten im VDV-Standard aufzubereiten, und ermöglichen ihnen so den Zugang zur gemeinsamen Plattform „Mobility inside“.

Welche Rolle spielt die Förderung durch den Bund beim Aufbau von „Mobility inside“?
» Sowohl die Datenbereitstellung und -vernetzung als auch die Programmierung der Plattform und der App bedeuten Aufwände, die in unserer Branche nicht ohne Weiteres finanziert werden können. Die Förderung von „Mobility inside“ durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit über zehn Millionen Euro ist daher essenziell für die weitere Entwicklung und beschleunigt die Realisierung der Vision. Das ist wichtig, damit wir den Service so schnell wie möglich unseren Fahrgästen anbieten können.

Wie geht es nach der Gründung der Mobility inside GmbH und nach Ende des Testlaufs weiter?
» Auch wenn eine umfassende Auswertung der „Mobility inside“-Pilot-App erst nach Ende des laufenden Live-Tests erfolgen wird, können wir festhalten, dass die App stabil läuft, das Handling schon sehr weitgehend selbsterklärend und positiv bewertet wird und wir somit auf Kurs sind. Hier und da wird es sicher noch Anpassungen und Verbesserungen geben. Parallel werden wir weiter neue Partner in das Projekt aufnehmen. Mein Ziel ist, dass Fahrgäste ab 2021 schrittweise „Mobility inside“ nutzen können.

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