Austausch von Ideen forciert

Die Stärkung von Gleisanschlüssen und multimodalen ­Umschlagpunkten, die Zukunft des Einzelwagenverkehrs und die optimale Anbindung von Logistikzentren an die Schiene standen im Mittelpunkt der zweiten Gleisanschluss-Konferenz des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der VDV-Akademie in Leipzig.


Rund 100 Teilnehmer vor Ort sowie zahlreiche digital zugeschaltete Referenten und Interessierte nutzten die von Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer BME, und Dr. Martin Henke, Geschäftsführer Eisenbahnverkehr im VDV, moderierte Hybridveranstaltung, um sich über Erfahrungen und Ideen sowie die praktische Umsetzung der Gleisanschluss-Charta auszutauschen.

„Wir stehen voll hinter der Gleisanschluss-Charta und bieten, wo immer möglich, die Unterstützung des Freistaats Sachsen“, unterstrich gleich zu Beginn Hubertus Schröder, Referatsleiter Schiene und Verkehr im sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der die aktuelle Situation der Schiene in Sachsen vorstellte und über Möglichkeiten referierte, speziell Gleisanschlüsse und kundennahe Zugangsstellen im Freistaat zu stärken. Allerdings, so seine Kritik, seien die aktuellen Gleisanschluss-Fördersätze von maximal 50 Prozent für viele Unternehmen zu gering.

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Eine höhere Förderung sei mit der EU-Kommission in Brüssel aber nicht zu machen, dämpfte Stephan Bull, Referatsleiter im Bundesverkehrsministerium und zuständig für den Masterplan Schienengüterverkehr und die Gleisanschlussförderung, die Erwartungen. Nur für Anlagen des Kombinierten Verkehrs, die einen diskriminierungsfreien Zugang gewährleisten, und mit entsprechender Ausschreibung seien bis zu 80 Prozent an Fördermitteln möglich. Doch es gibt viel zu tun: Lag die Zahl der Gleisanschlüsse in Deutschland bei der Bahnreform 1994 noch bei 11.742, so waren es 2018 nur noch 2.351, stellte Stephan Bull fest. Mit der neuen, aktuell von Brüssel geprüften Gleisanschlussförderung, die Anfang 2021 in Kraft treten soll, will die Bundesregierung daher den Einzelwagenverkehr erleichtern und für Gleisanschlüsse einen breiteren, förderwürdigen Instrumentenbaukasten zur Verfügung stellen. Als erweiterte Fördertatbestände sieht Stephan Bull den Bedarf an Reaktivierungen, Neu- und Ausbauten sowie Ersatzinvestitionen: „Diese Fördermöglichkeiten sollten dann auch intensiv genutzt werden.“ Aktuell ist vorgesehen, diesen „Baukasten“ im Bundeshaushalt 2020/2021 mit einem Budget von 34 Millionen Euro auszustatten – 20 Millionen mehr als bisher. Darüber hinaus machte Stephan Bull darauf aufmerksam, dass die Gleisanschlussförderung nicht das einzige Instrument zur Stärkung der Schiene sei. Die Anlagenpreisförderung, mit der Eisenbahnunternehmen Nutzungsentgelte für Rangierbahnhöfe und Zugbildungsanlagen anteilig finanziert bekommen können, soll am 13. Dezember 2020 in Kraft treten. Sie ist mit 40 Millionen Euro pro Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren budgetiert.

Die Sorge um den Einzelwagenverkehr treibt auch die verladende Wirtschaft um. Eine Lösung, so Frank Andreesen, Leiter Verkehrspolitik beim Chemiehersteller Covestro, könnte die Sicherung der Anlagen durch eine unabhängige und kostengünstige Infrastruktur mit offenem Zugang sein, für die ein neutraler Dienstleister die erste und letzte Meile für alle Bahnen bedient. Um den vollen Nutzen aus strukturellen Veränderungen ziehen zu können, sei zudem intensive Kooperation erforderlich. Alle Beteiligten sollten zusammenarbeiten, um ein Höchstmaß an Effizienz zu erreichen, indem sie beispielsweise Anlagen gemeinsam nutzen und die Verkehrsströme auf der ersten und letzten Meile des Einzelwagenbetriebs bündeln.

Die Schiene einfacher machen

Aktuell unterstützen 117 Unternehmen sowie 42 Verbände und Institutionen die Gleisanschluss-Charta, stellte Joachim Berends, Vorstand der Bentheimer Eisenbahn und VDV-Vizepräsident, in seiner Zwischenbilanz fest. Von den 14 eingerichteten Arbeitsgruppen widmen sich bereits sechs der Umsetzung der Vorschläge, die weiteren folgten jetzt Schritt für Schritt. Die Gruppen treffen sich ausschließlich in digitalen Konferenzen, was auch nach Corona so bleiben soll.

Zudem haben die Verbände in einem Aktionsplan die Themen der Gleisanschluss-­Charta priorisiert. Vorrangig sollten demnach die vorgelagerten Infrastrukturen gesichert und leistungsfähiger gemacht, die Gleisanschlussförderung verbessert und Bürokratie abgebaut sowie Regularien vereinfacht werden. „Wir müssen insgesamt bei der Schiene einfacher werden – in der Förderung wie in der Produktion“, brachte es Joachim Berends auf den Punkt.
Wichtig sei auch, einer breiten Öffentlichkeit die Leistungsfähigkeit der Schiene zu vermitteln, verdeutlichte Martin Henke: „Wir werden deshalb 2021 einen Tag der Eisenbahn veranstalten, der vielfältige Blicke hinter die Kulissen ermöglicht.“


Kombinierter Verkehr: Richtlinie weiterentwickeln

Der VDV hat Vorschläge gemacht, wie die Richtlinie zur Förderung des Kombinierten Verkehrs (KV) weiterentwickelt werden kann. Die Verkehrsunternehmen setzen sich insbesondere für die Aufnahme von Ersatzinvestitionen, die Anhebung der Planungskostenpauschale sowie die Harmonisierung der unterschiedlichen Finanzierungsregularien ein. Seit 1998 gibt es die Förderrichtlinie Kombinierter Verkehr des Bundes. Seitdem ist es gelungen, das Aufkommen im KV auf 114 Millionen Tonnen nahezu zu vervierfachen. Mithilfe der Richtlinie fördert der Bund den Neu- und Ausbau von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs bei nichtbundeseigenen Unternehmen. Auf diese Weise hatten zahlreiche VDV-Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit, in den Kombinierten Verkehr einzusteigen. Die aktuelle Fassung der Richtlinie gilt seit 2017 und endet am 31. Dezember 2021. Der VDV hat seine Vorschläge in einem Positionspapier zusammengefasst.

www.vdv.de/positionen

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