Personal
30.08.2021

20 Jahre VDV-Akademie:

„Berufliche Fortbildung wird immer wichtiger“

Sie steht für Qualität in der beruflichen Fort- und Weiterbildung im ÖPNV und im Schienengüterverkehr. Und sie setzt Standards für innovatives Lernen und hochwertige Informationsangebote. Vor 20 Jahren wurde die VDV-Akademie gegründet. Seit 2004 ist Michael Weber-Wernz (Foto) ihr Geschäftsführer. Im Interview mit „VDV Das Magazin“ spricht er unter anderem über digitales Lernen in Zeiten von Corona und darüber, was die Akademie als Nächstes plant.



Präsenz- oder Distanzunterricht, Homeschooling, Digitalisierung: Durch die Coronapandemie hat das Thema Lernen vor allem im schulischen Bereich einen neuen Stellenwert gewonnen. Wie sieht es in der beruflichen Aus- und Weiterbildung aus?

» Michael Weber-Wernz: Während in der schulischen Lehre jetzt mit großen Schritten die Defizite bei der Digitalisierung aufgeholt werden, haben wir in der beruflichen Bildung – auch in der VDV-Akademie – schon vor mehreren Jahren begonnen, uns mit der Digitalisierung von Wissen und Lernen zu beschäftigen. Unabhängig von der Pandemie hat die berufliche Fort- und Weiterbildung 2019 mit der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) der Bundesregierung erheblich an Bedeutung gewonnen. Wie in nahezu allen Branchen gilt auch für die Verkehrsbranche: In der Arbeitswelt spielen Digitalisierung und Automatisierung zunehmend eine wichtige Rolle. Ich gehe davon aus, dass die berufliche Fortbildung gerade in diesem Kontext immer wichtiger wird.

20 Jahre VDV-Akademie: Wie hat sich die Bildungsarbeit in dieser Zeit verändert?

» Die Ansprüche an die Weiterbildung haben sich deutlich erhöht. Bildung rückt mehr und mehr in das Zentrum unternehmensstrategischen Denkens. Neues Wissen, neue Kenntnisse, neue Anwendungen und Verfahren sind Voraussetzung für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Für die Beschäftigten geht es um den Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit. Berufe verändern sich, neue Anforderungen an Fähigkeiten und Kompetenzen entstehen. Die Erkenntnis reift, dass Bildung zum Transmissionsriemen für einen erfolgreichen digitalen Wandel in allen Branchen geworden ist. Erfolgreiche Bildung kennt letztlich nur einen Maßstab für ihr Handeln: die Fähigkeit, Menschen in ihrer fachlichen und persönlichen Kompetenz so zu qualifizieren, dass sie in dem, was sie tun, Wirksamkeit erzeugen können.

Wie macht die VDV-Akademie berufliche Bildung interessanter?

» Wir haben in unseren Qualifizierungsmaßnahmen das Konzept des „Blended Learning“ übernommen – eine Mischung aus Präsenzunterricht und digitalem Lernen. Seit etwa sieben Jahren arbeiten wir mit einem plattformgestützten Lernnetz, in dem unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Präsenzunterreicht vorbereiten und nachbereiten können. Immer mehr Lernsegmente werden auch rein digital angeboten. Soll digitales Lernen erfolgreich sein, müssen die Lernprodukte didaktisch so aufbereitet werden, dass die Lernenden diese auch annehmen – egal ob Text, Animationen, Videos, Quizze. Eine digitale Lernwelt schafft tatsächlich viele neue Optionen – als Lernassistenz integriert in ein Blended-Learning-Modell nahezu unschlagbar. Das kann durchaus eine Faszination für die Teilnehmenden in Qualifizierungsmaßnahmen sein.

Hybride Formate wie hier die VDV-E-Bus-Konferenz 2021 machen den Veranstaltungsbereich der VDV-Akademie pandemiefest.

Wie hat die VDV-Akademie auf die Pandemie reagiert?

» Präsenzunterricht war von heute auf morgen nicht mehr möglich. Deswegen haben wir sehr schnell unsere Qualifizierungsmaßnahmen auf digitale Lehre umgestellt. Bis wir alle Lehrgänge transformiert hatten, hat das für ein ganzes Jahr enorme Ressourcen gebunden. Im Rahmen unserer Lehrgänge haben wir auch die Prüfungen digitalisiert. Zuerst dachte ich, dass so etwas nie funktionieren kann – aber es klappt. Zudem haben wir seit März 2020 viele Lernangebote mit unserer „Bildungsbox“ kostenfrei ins Internet gestellt. In der Box stecken über 200 digitale Lernangebote. Wir haben Webinare zu verschiedenen Themen entwickelt, eine Podcast-Reihe mit inzwischen mehr als 40 Folgen aufgelegt und unser Lernnetz wesentlich professioneller gestaltet.

Ein weiterer Schwerpunkt der VDV-Akademie liegt auf den Veranstaltungen. Wie haben Sie diesen Bereich pandemiefest gemacht?

» Da haben wir eine steile Lernkurve hingelegt. Auch hier hat es große Anstrengungen gekostet, in die digitale Tagungs- und Kongresswelt umzusteigen. Mittlerweile haben wir drei Formate: die klassische Präsenztagung, die reine Digitalkonferenz und hybride Veranstaltungen – also das Beste aus beiden Welten. Welchem Format die Zukunft gehört? Wir werden sehen. Corona als Digitalisierungstreiber ist ja auch für uns eine neue Erfahrung gewesen. Ich denke, alle drei Formate werden in der einen oder anderen Variante ihre Zukunft haben. Sie bieten von ihren Spektren zumindest die Möglichkeit, sehr flexibel auf aktuelle Anforderungen reagieren zu können. In der heutigen Zeit ist das von großem Wert. Gesucht und gebucht werden können Veranstaltungen auch über die VDV VerbandsApp. Darin finden sich auch Nachrichten aus der Branche und das gesammelte VDV-Fachwissen - von Signalanlagen bis Pandemievorsorge.

Woher nehmen Sie die zusätzlichen Ressourcen?

» Der Ressourceneinsatz bei digitalen Lehrgängen und Konferenzen ist enorm. Das haben wir gelernt. Sie müssen ganz anders planen, Sie benötigen exzellente Technik und vor allem: Sie müssen sich auf die Menschen im Unternehmen verlassen können, die bereit sind, die neuen und zeitraubenden Herausforderungen anzunehmen. Und da muss ich sagen: Hut ab und großen Respekt vor der großen Einsatzbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VDV-Akademie. Zusätzlich benötigen wir zur Unterstützung natürlich externe Dienstleister – insbesondere bei den großen Kongressen.

Welche neuen Bildungs- und Veranstaltungsformate planen Sie als Nächstes?

» Zwei Vorhaben beispielhaft kurz erläutert: Als Ergänzung zum Blended Learning bauen wir eine Digitale Mobilitätsakademie (DMA) auf. Das wird eine Bildungsplattform, die für die Beschäftigten in der Mobilitätsbranche viele, viele hundert digitale Lernangebote umfasst. Manche kostenfrei, viele kostenpflichtig. Sie wird eine gute Ergänzung zu unserer Knowhow@ÖV-Plattform sein, die sämtliche VDV-Schriften und Mitteilungen für die Unternehmen digital zur Verfügung stellt. Anfang kommenden Jahres werden wir überdies unser Akademie-Medienlabor aufbauen, mit dem wir noch professioneller als bisher Webinare, Podcasts und andere digitale Produkte mit Videos, Augmented-Reality-Brillen und anderen Tools produzieren können. Das Medienlabor wollen wir auch den Verkehrsunternehmen zur Verfügung stellen.

Was passiert darüber hinaus bei der beruflichen Bildung – etwa mit Blick auf die Berufsbilder der Zukunft?

» Dort vervollständigen wir das System beruflicher Bildungswege. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „UpTrain – digital, durchlässig“ entwickeln wir zwei komplett neue Berufsbilder auf verschiedenen Stufen des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR). Das machen wir gemeinsam in einem großen Konsortium mit Verkehrsunternehmen, Hochschulen und der Industrie. Wir werden den Gedanken der Vernetzung und Kollaboration auf den Bildungssektor übertragen, indem wir Kooperationen mit anderen Bildungsanbietern, die auch in der digitalen Lernwelt unterwegs sind, anstreben. Und wir haben ein Netzwerk „eLearning“ in einem unserer geförderten Projekte aufgebaut, mit dem wir die Kolleginnen und Kollegen in den Verkehrsunternehmen zusammenführen, die das digitale Lernen vorantreiben wollen.

Eine Auswahl von Meilensteinen

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Wie wollen Sie die Ergebnisse in die Praxis umsetzen?

» Naja, da haben wir in 20 Jahren VDV-Akademie genügend Erfahrung gesammelt. Wenn Sie wissen, was die Unternehmen und ihre Beschäftigten bewegt und vor welchen betrieblichen und technischen Herausforderungen sie stehen, dann sind Sie in der Lage, Konzepte und Angebote zu entwickeln und schnell zur Marktreife zu bringen. Das ist unser Job. Und natürlich: Wir experimentieren auch. Beispielsweise bauen wir in einem Projekt eine Bildungsberatung für die Branchenbeschäftigten auf. Wir sind sehr gespannt, wie die Leistung angenommen wird.

Das Jahr 2022 stellt die VDV-Akademie unter das Motto „Jahr des Lernens“. Was ist geplant?

» Drei Dinge kann ich schon verraten. Wir werden ab 2022 jedes Jahr einen „ÖPNV E-Learning-Award“ für die Branche vergeben, den wir auf dem zehnten VDV-Personalkongress im Oktober vorstellen. Zweitens werden wir die bereits erwähnte Digitale Mobilitätsakademie der Öffentlichkeit vorstellen und in Betrieb nehmen. Und drittens: Die Akademie wird entlang des DQR neue Bildungsangebote entwickeln und im Rahmen von Quick-Qualifizierungen, Lehrgängen, Zertifikats- und Kammerangeboten umsetzen. Sie sollen unter anderem auch mit dazu beitragen, die Wege und Brücken zwischen beruflicher Bildungssäule und akademischem Bildungssektor zu verbreitern.

Wo steht die VDV-Akademie an ihrem 25. Geburtstag?

» Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, nur noch auf Sicht zu navigieren – also zwei bis drei Jahre. Die VDV-­Akademie hat sicherlich dazu beigetragen, dass wir das Thema Personal und Bildung in den vergangenen Jahren wesentlich in der Branche verankern konnten. Wenn uns das mit der beruflichen Fortbildung ebenfalls so gelingt, dass wir als VDV-Akademie ein nicht mehr wegzudenkender Faktor sind, wäre ich zufrieden. Das hängt auch immer von den Menschen ab, die die Akademie prägen. Wir haben tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einen großartigen Vorstand, ein qualifiziertes Kuratorium und viele Mitglieder und Unterstützer. Aktuell kommt das 81. Unternehmen als Mitglied in die Akademie. Das alles ist für die nächsten Jahre eine sichere Bank. Und: Am 1. September diesen Jahres eröffnet die VDV-Akademie eine Dependance im „Holm“, dem House of Logistics & Mobility in Frankfurt am Main, um auch dort Innovations- und Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Bildungsträgern, Hochschulen, Unternehmen und Start-ups zu nutzen.

VDV-Akademie: Bildungsanbieter und Plattform für Information und Austausch

Die VDV-Akademie ist ein eingetragener Verein unter dem Dach des VDV. Getragen wird sie von Verkehrsunternehmen und ihren Bildungseinrichtungen sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie, Wissenschaft und Politik. Der Vereinsvorstand mit dem Vorsitzenden Gisbert Schlotzhauer (Foto) setzt sich aus Vorständen und Geschäftsführern der Branche zusammen. In den vergangenen Jahren hat sich die VDV-Akademie zu einem der wichtigsten Qualifizierungs- und Tagungsanbieter für die Nahverkehrs- und Eisenbahnbranche entwickelt – eine Plattform für Information, Beratung und Diskussion. Dabei profitiert die VDV-Akademie von der engen Zusammenarbeit mit Bildungs- und Beratungspartnern, Hochschulen, Kompetenzzentren sowie ihren Mitglieds­unternehmen. Die Akademie entwickelt Bildungsprodukte für die Verkehrsunternehmen und ihre Beschäftigten. Dabei hat sie den Anspruch, für ein „Plus an Qualität“ zu stehen, das den Unternehmen im Verkehrssektor hilft, einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern.

www.vdv-akademie.de

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