Innovationen
24.02.2021

Mit viel Frischluft
gegen Corona

Im Kampf gegen das Coronavirus tragen die Hersteller mit einer Vielzahl von Maßnahmen dazu bei, das ohnehin geringe Infektionsrisiko in ihren Fahrzeugen zu minimieren. Zum Schutz von Fahrgästen und Fahrpersonal setzt beispielsweise Daimler Buses vor allem auf einen hohen Anteil an frischer Luft, den raschen Luftaustausch und auf Hochleistungspartikelfilter.


Aerosole gelten vor allem in geschlossenen Räumen als einer der häufigsten Überträger des Coronavirus. „Die Luftqualität in den Bussen ist ein wesentlicher Faktor zum Schutz von Fahrgästen sowie Fahrerinnen und Fahrern“, erklärt Christian Neuschl von Daimler Buses. Er leitet in Ulm ein Entwicklungsteam für Kundensonderwünsche im Bereich Rohbau & Anbauteile und seit Mitte 2020 auch die Corona-Taskforce. Dieses Team aus Versuchs- und Entwicklungsingenieuren steht im Austausch mit der Daimler-Forschung und hat in den vergangenen Monaten umfangreiche Maßnahmen erarbeitet und auf den Weg gebracht, mit denen Daimler Buses das Infektionsrisiko in seinen Fahrzeugen der Marken Mercedes-Benz und Setra weiter reduziert hat. Dafür gab es im Dezember einen internen Innovations-Preis – eine Auszeichnung, die oftmals eher an die Bereiche Pkw oder Truck geht.

NEUES AUS DEM INDUSTRIEFORUM

In unserer neuen Rubrik „Industrie inside“ erfahren Sie künftig Neues über Produkte und Dienstleistungen, die die 33 Unternehmen des VDV-Industrie­forums anbieten. Mit dabei sind Hersteller von Bussen und Bahnen sowie Zulieferer und IT-Unternehmen. Das Forum dient dem Austausch zwischen den Herstellern untereinander und mit dem VDV.

www.vdv.de/industrieforum

Dabei steht die Luftqualität im Mittelpunkt. Sie ist das Ergebnis aus dem Zusammenspiel von Luftströmung, Luftwechselrate und der Qualität von Filtern, die in den Klimaanlagen zum Einsatz kommen. Die konzeptionelle Auslegung der Fahrzeuge ermöglicht eine komplette Durchlüftung der Fahrgasträume (siehe Visualisierung). Zusätzlich wird die Luft sehr schnell ausgetauscht – so können sich Aerosole in Bussen mit vollwertigen Klimaanlagen erst gar nicht in großer Menge ansammeln.

Die sehr hohe Gebläseleistung ermöglicht es auch in einem Stadtbus, die Luft innerhalb von zwei bis vier Minuten komplett auszutauschen.

Christian Neuschl, Teamleiter im Bereich Rohbau & Anbauteile bei Daimler Buses

Hinzu kommt, dass Aerosolpartikel, an die sich auch Viren heften können, nun in ergänzenden Hochleistungspartikelfiltern abgeschieden und ausgetrocknet werden. Zusätzlich besitzen diese eine antivirale Schicht, die Viren inaktiviert – beides zusammen eine Neuheit bei Bussen. „Die vollwertigen Klimaanlagen in Reise-, sowie auch in Überland- und Stadtbussen haben eine sehr hohe Gebläseleistung“, erläutert Christian Neuschl: „Diese ermöglicht es zum Beispiel auch in einem Stadtbus, die Luft innerhalb von zwei bis vier Minuten komplett auszutauschen.“ Durch den permanenten und raschen Austausch gebe es keine Stellen im Fahrzeug, an denen die Luft nicht zirkuliere. Zusätzlich erhöhe das regelmäßige Öffnen der Türen an den Haltestellen die Austauschrate und damit die Qualität der Luft.

Daimler Buses hat bereits vergangenen Herbst schrittweise damit begonnen, seine Busse mit den typenoffenen Filtern auszurüsten und bietet diese seitdem auch zur Nachrüstung von Bestandsfahrzeugen an. „Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck daran, auch für Fahrzeuge ohne vollwertige Klimaanlagen ein effektives Luftreinigungssystem zu entwickeln“, berichtet Christian Neuschl.

Hoher Frischluftanteil, rascher Luftwechsel und ergänzende Filter: Die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahmen bestätigt eine Studie, die das Hermann-Rietschel-Institut an der TU Berlin in Bezug auf Reisebusse durchgeführt hat. „Die Situation in Reisebussen mit einem raschen Luftwechsel ist im Vergleich zu anderen täglichen Situationen nicht besonders kritisch für die Fahrgäste zu bewerten, sofern die AHA-Regeln eingehalten werden“, sagte Prof. Dr. Martin Kriegel, Leiter des In­stituts, im Oktober 2020. Das letzte A der AHA-Regel – die Alltagsmaske – gilt mittlerweile in Bussen und Bahnen, wo nur noch besser schützende Masken erlaubt sind, allerdings nicht mehr. Jedoch wird eine noch besser schützende Maske die Aussage von Prof. Kriegel zusätzlich stützen. Selbst wenn eine infizierte Person Teil einer Reisegruppe sein sollte, besteht laut der TU-Studie nur ein geringes Risiko.

Dadurch ist die Aerosolkonzentration selbst mit Mischluft und bei reinem Umluftbetrieb sehr niedrig. „Der angenommene kritische Wert von 3.000 Aerosolen, die zu einer Infektion führen können, wird auch nach vier Stunden im Bus nicht erreicht“, so Prof. Dr. Martin Kriegel, der als einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Raumluftqualität gilt. Die Erkenntnisse aus dieser Studie und die Filtertechnologie hat Daimler Buses für den Markt freigegeben. Christian Neuschl: „Uns war es von Anfang an ein Anliegen, diese wirksame Technologie auch unseren Wettbewerbern zugänglich zu machen. Wir haben daher mit unserem Lieferanten keine Exklusivität oder speziellen Schutzrechte vereinbart – jeder kann diese verwenden.“

Im ÖPNV ist für regelmäßigen Luftaustausch gesorgt


„Masken und gute Durchlüftung sprechen für den öffentlichen Verkehr“, sagt auch VDV-Präsident Ingo Wortmann. Die Maskenpflicht, jüngst noch einmal verschärft auf medizinische Masken, vermindert effektiv das Infektionsrisiko. Die Übertragung durch Aerosole in geschlossenen, von Frischluft abgeschnittenen Räumen steht im Zentrum der wissenschaftlichen Beobachtung. Im ÖPNV findet jedoch ein regelmäßiger Luftaustausch statt, weil an den Stationen regelmäßig und automatisch die Türen geöffnet werden. Zusätzlich saugen die Klimaanlagen in den Fahrzeugen Frischluft an und sorgen für einen Austausch. Gibt es keine Klimaanlage, erfolgt die Frischluftzufuhr über Lüftungsgebläse, Türen, Fenster und Dachluken.

„Klimaanlagen gehören bei der Neubeschaffung von Bussen sowie U-, Stadt- und Straßenbahnen häufig zum Anforderungskatalog der öffentlichen Ausschreibungen“, erläutert Ingo Wortmann. Die Zahl der Fahrzeuge mit Klimaanlagen steigt daher seit Jahren deutlich. „Ein Luftaustausch mit Frischluft ist grundsätzlich besser als eine Luftfilterung beziehungsweise Umwälzung verbrauchter Luft“, so der VDV-Präsident. HEPA Klimaanlagen-Filter wie in der Luftfahrt seien aufgrund der völlig anderen Rahmenbedingungen nicht anwendbar und nicht erforderlich. Anders als beispielsweise im geschlossenen Raum eines Flugzeugs profitiert der ÖPNV von der permanenten Frischluftzufuhr und dem Luftaustausch, der auf verschiedene Weisen vorgenommen wird. Zudem dauert eine durchschnittliche Fahrt mit einem Linienbus weniger als 15 Minuten.
Mit einer leistungsfähigen Vollklimatisierung kann beim Stadtlinienbus je nach Ausführung in Volllast eine hohe Luftwechselrate – bis zu einmal pro Minute – erreicht werden.

Um den größtmöglichen Luftaustausch zu erzielen, haben die Verkehrsunternehmen – ergänzend zu der Frischluft infolge des Fahrgastwechsels an den Haltestellen – die Luftwechselrate in den Klimaanlagen weiter erhöht. Zudem kann über die Klimaanlage die Luft entfeuchtet werden. Gibt es keine Klimaanlage, sorgen geöffnete Klappfenster während der Fahrt und geöffnete Türen an Haltestellen und in der Wende- und Pausenzeit für den ständigen Luftaustausch. Der wird beschleunigt durch Lüftungsgebläse und geöffnete Dachluken.

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