Innovationen
30.03.2020

„Es wird das
Jahrzehnt des Busses“

Der Markthochlauf bei den E-Bussen gewinnt an Schwung. In Deutschland wird sich im laufenden Jahr die Zahl dieser Fahrzeuge mehr als verdoppeln. Auf dem Weg zur Elektrifizierung ihrer Busflotten stehen die Verkehrsunternehmen weiter vor großen Herausforderungen – etwa bei der Finanzierung und beim Ausbau der Infrastruktur. Das zeigte sich während der VDV-Elektrobuskonferenz und der Fachmesse „ElekBu“.


Die Technik wird immer besser, die Fahrzeuge werden immer zuverlässiger. Schon jetzt können Batteriebusse mit Reichweiten zwischen 150 und 250 Kilometern auf rund einem Drittel der städtischen Umläufe eingesetzt werden. Die Hersteller kündigen leistungsfähigere Batterien und höhere Reichweiten an. Im ländlichen Raum oder auf besonderen Streckenprofilen sind für die Branche auch Brennstoffzellenbusse ein Thema. Egal ob mit Batterie-, Wasserstoff- oder Dieselantrieb: „Es wird das Jahrzehnt des Busses“, sagte VDV-Technikgeschäftsführer Martin Schmitz zur Eröffnung der 11. VDV-Elektrobuskonferenz, die vom VDV, dem Forum für Verkehr und Logistik, den DEVK Versicherungen und der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) veranstaltet wurde.

70 Unternehmen präsentierten ihre Produkte rund um die Elektromobilität – darunter 16 Busse.
Zweites Leben als E-Bus: Dieses Fahrzeug wurde vom Diesel- auf den Batterieantrieb umgerüstet.

Wenn es darum geht, Verkehr auf den ÖPNV zu verlagern, spielt neben dem massiven Ausbau und der Modernisierung der Schiene der Bus eine zentrale Rolle. Derzeit bekommt dessen Elektrifizierung deutlich Schub. Nach Schätzungen des VDV steigt die Zahl der E-Busse bis Ende des Jahres von 400 auf rund 1.000. Dass das Thema „E-Busse“ und der Markt an Dynamik gewinnen, spiegelte sich in den erneut gestiegenen Teilnehmer- und Ausstellerzahlen wider. 70 Unternehmen präsentierten im Estrel Congress Center ihre Produkte und Dienstleistungen – darunter 16 E-Busse aus Europa und China. Fast 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 17 Ländern kamen nach Berlin.

E-Mobilität auf der Straße kommt teuer

Während die großen Verkehrsunternehmen ihre Busflotten in den nächsten zehn Jahren weitgehend elektrifizieren und in ihre Betriebshöfe, Werkstätten und Ladeinfrastruktur investieren, bleibt die Politik gefordert. Denn die Einführung der E-Mobilität auf der Straße wird teuer – sowohl bei den Investitionen als auch im Betrieb. Ein E-Bus kostet zwischen 600.000 und 700.000 Euro und damit fast doppelt so viel wie ein ebenfalls emissionsarmer, neuer Dieselbus. Hinzu kommen Um- und Neubaukosten für die Infrastruktur und steigende Personalkosten sowie einige Zeit der Parallelbetrieb von Diesel und Strom. Da die Reichweiten vorerst geringer als beim Diesel sein werden, benötigen die Verkehrsunternehmen mehr Fahrzeuge und Fahrer, allein um das Angebot gleichbleibend zu halten. Aktuell bezuschusst der Bund die Mehrkosten bei der Anschaffung eines Batteriefahrzeugs zu 40 bis 80 Prozent. Auch der Umbau von Werkstätten und Betriebshöfen kann gefördert werden. Für die kommenden drei Jahre stehen bislang 620 Millionen Euro an Bundesmitteln bereit. „Die Finanzmittel des Bundes bieten uns die Möglichkeit, die Forderungen der Clean Vehicle Richtlinie umzusetzen. Um die Antriebswende in der Fläche im nächsten Jahrzehnt zu erreichen, ist eine Verstetigung der Mittel nötig“, verdeutlichte VDV-Präsident Ingo Wortmann die Dimensionen. Zusätzlich müssen die Unternehmen investieren und ihre Angebote zügig ausweiten, um mehr Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen und um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Damit steigen vorerst auch die Betriebskosten“, so Wortmann.

1.000

E-Busse

werden nach Schätzungen des VDV bis Ende dieses Jahres auf Deutschlands Straßen rollen. Derzeit sind es etwa 400.

„Ohne Förderung wird es nicht gehen“

Dass das Thema in den Ministerien auf offene Ohren stößt, wurde im verkehrspolitischen Teil der Konferenz deutlich. „Uns ist bewusst, dass es ohne Förderung nicht gehen wird“, sagte Dr. Tamara Zieschang, Staatsekretärin im BMVI, und kündigte neue ­Förderrichtlinien für E-Busse an. Auch Gertrud Sahler, Abteilungsleiterin im Bundesumweltministerium, stellte in Aussicht: „Wir wollen den Umstieg mehr als bisher fördern.“ Sie sieht die Städte vor einer „Zeitenwende“, bei der dem ÖPNV eine Schlüsselrolle zukomme. Daniela Kluckert (FDP) forderte, die Förderrichtlinien so zu gestalten, dass auch kleinere Unternehmen im ländlichen Raum davon profitieren können. „Unsere Regelungen helfen nicht immer dem Klima“, so die stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses. Es sei sinnvoller, die EEG-Umlage abzuschaffen und den Verkehr in den Handel mit Emissionszertifikaten aufzunehmen – also den Marktmechanismen zu vertrauen.

Für die weitere Entwicklung weisen das Klimaschutzpaket der Bundesregierung und die europäische Clean Vehicles-Richtlinie, die Beschaffungsquoten für saubere beziehungsweise emissionsfreie Busse vorschreibt, den Weg. Die reichten aber nicht aus, um die Verkehrswende herbeizuführen, sagte Axel Volkery, Teamleiter „Clean Transport“ bei der EU-Kommission. Im Zusammenhang mit dem „Green Deal“ arbeite die EU daran, „wie wir diese sauberen Fahrzeugflotten in ein Gesamtkonzept integrieren – von nachhaltiger und intelligenter, aber auch attraktiver und bezahlbarer Mobilität in der Stadt sowie im ländlichen Raum“. Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn, forderte dazu auf, die Chancen zu sehen und den Blick auf die Klimaziele 2030 zu richten. Aufgrund des langen Vorlaufs werden neu zu planende U- und S-Bahnen bis dahin nicht viel ausrichten. Henrik Falk: „Nur der Bus hilft uns kurzfristig. Er hat großes Potenzial.“

Zuvor hatte Prof. Henning Kagermann, Vorsitzender des Kuratoriums der Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), deutlich gemacht: „An der E-Mobilität führt kein Weg vorbei.“ Gleiches gelte für den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Der ehemalige SAP-Vorstand glaubt, dass auf dem Weg zur Dekarbonisierung keine technische Revolution zu erwarten sei: „Es ist mühsam, und es wird so bleiben.”

Prof. Henning Kagermann (Foto o.) sagte, dass an der E-Mobilität und am Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft kein Weg vorbeiführe.
Verkehrspolitisches Podium (v. l. n. r.): Moderator Martin Schmitz (VDV), Gertrud Sahler (BMU), VDV-Präsident Ingo Wortmann, MdB Daniela Kluckert (FDP), Prof. Henning Kagermann (Acatech), Dr. Tamara Zieschang (BMVI), Axel Volkery (EU), Henrik Falk (Hamburger Hochbahn)
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