Europa
11.08.2020

Schlüsselbranche
für die EU-Kommission

Umweltfreundlicher, intelligenter, fairer, sicherer und stärker soll Europa in der Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden. Welche Rolle der Verkehrssektor dabei spielt, erläutert die EU-Kommissarin für Verkehr, Adina Vălean (Foto), in einem Gastbeitrag für „VDV Das Magazin“.

Vor einem Jahr präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Vision für ein grüneres, intelligenteres, faireres, sichereres, stärkeres Europa. Diese Vision stellt selbstverständlich die Grundlage für unsere Verkehrspolitik dar, und es ist für mich eine Freude und eine Ehre, diesen Politikbereich in dieser Kommission leiten zu dürfen.

Als wir Ende 2019 unsere Arbeit aufnahmen, konnte keiner von uns ahnen, dass Europa – und sogar die gesamte Welt – sich bald auf etwas anderes konzentrieren würde: eine globale Pandemie. Obwohl die Krise aufgrund des Coronavirus in der Tat unsere Arbeit in der ersten Hälfte 2020 dominierte und weiterhin dominieren wird, weil wir uns von dem Virus erholen und einen erneuten Anstieg der Infektionen verhindern müssen, bleibt unsere langfristige Vision unverändert. Weder der umweltpolitische Druck noch der soziale oder wirtschaftliche Druck, der für die Prioritäten der von Ursula von der Leyen angeführten Kommission entscheidend war, hat abgenommen. Umweltzerstörung gibt es weiterhin, die soziale Ungleichheit steigt und die Krise hat unsere Wirtschaft branchenübergreifend in einem Maße getroffen, wie es zuletzt während der Weltwirtschaftskrise geschah. Es ist daher richtig, dass wir unseren Plan weiterverfolgen und unsere Arbeit intensivieren, um unsere übergeordneten Ziele zu erreichen, das heißt die wirtschaftliche Belebung und Belastbarkeit, Vernetzung, Bekämpfung des Klimawandels und Verminderung der Umweltverschmutzung.

Bis 2050 klimaneutral

Es steht außer Frage, dass in allen Branchen die Emissionen gesenkt werden sowie der Klimawandel aufgehalten und die Umweltverschmutzung bekämpft werden müssen. Verkehr ist die Lebensader unserer Wirtschaft sowie unsere Verbindung zum Rest der Welt und zu den globalen Lieferketten. Verkehr ist jedoch auch verantwortlich für fast ein Viertel aller Treibhausgas-Emissionen in der EU – und diese steigen. Daher ist es unsere Verantwortung, entsprechend den übergeordneten Prioritäten der Kommission dieser Entwicklung entgegenzuwirken, um sicherzustellen, dass Europa bis 2050 ein klimaneu­traler Kontinent wird. Dieses Ziel wird allen, ungeachtet der Art der Beförderung, große Anstrengungen abverlangen, da die Emissionen bis 2050 um 70 bis 90 Prozent reduziert werden müssen. Die gute Nachricht ist, dass der Beitrag des Verkehrssektors zur Verbesserung der Umweltleistung auf vielfältige Weise geleistet werden kann – von der Förderung des multimodalen Transports über die Erhöhung des Anteils der mit der Bahn und Binnenschifffahrt beförderten Güter bis zur Effizienzsteigerung mittels Technologie sowie Investitionen in nachhaltige, alternative Kraftstoffe und Fahrzeuge.

Unser Verbündeter in unserem Bestreben, den Verkehr nachhaltiger zu gestalten, ist die Digitalisierung, die ein weiterer Hauptschwerpunkt dieser Kommission ist. Neben großen Datenmengen hat ein modernes Verkehrssystem, in dem die digitalen Technologien intensiv verwendet werden, das Potenzial, die Güter- und Verkehrsströme zu optimieren, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren sowie eine effizientere und kostengünstigere Nutzung der Infrastruktur und der Ressourcen zu ermöglichen.

Wir möchten, dass unsere Verkehrssysteme für alle da sind, das heißt sowohl für die Fahrgäste als auch für die im Verkehrssektor Beschäftigten. Diese Kommission wird weiterhin die Rechte der Fahrgäste schützen, so wie wir es auch während der Pandemie getan haben. Ich bin stolz da­rauf, dass Europa weltweit den besten Schutz der Fahrgäste sicherstellt, und ich beabsichtige, dass dies in meiner Amtszeit so bleibt.

All unsere Maßnahmen im Verkehrssektor zielen selbstverständlich darauf ab, die Sicherheit für jede Art der Beförderung zu gewährleisten. Diesbezüglich werden wir nie einen Kompromiss eingehen, sondern immer anstreben, die Sicherheit noch mehr zu erhöhen. Hier denke ich insbesondere an die Sicherheit auf unseren Straßen, auf denen jedes Jahr zu viele Menschen unnötigerweise ihr Leben lassen, sowie an die Sicherheit auf den Fischereifahrzeugen. Die Menschen und ihre Sicherheit stehen auch im Mittelpunkt unserer Anstrengungen, die Reisedienstleistungen sicher wieder aufzunehmen, nachdem wir hoffentlich das Schlimmste der Pandemie überstanden haben. Wir möchten, dass die Europäer unter hohen Sicherheitsbedingungen wieder beginnen können zu reisen. Sowohl die Fahrgäste als auch die im Verkehrssektor Beschäftigten müssen geschützt werden. Daher haben wir bereits Richtlinien und Empfehlungen für die unterschiedlichen Beförderungsarten vorgelegt, in denen beschrieben wird, wie das Risiko für beide Gruppen verringert werden kann.
Unser Verkehrssystem muss auch für diejenigen da sein, die es am Leben hält, das heißt für die zwölf Millionen Menschen, die in diesem Sektor beschäftigt sind. In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig ihre Arbeit ist, die nicht immer unter den besten Bedingungen ausgeführt wird – seien es die Lkw-Fahrer, denen sichere Parkplätze fehlen, oder die Seemänner, die länger als vertraglich festgelegt auf Schiffen bleiben müssen. Aus diesem Grund wird diese Kommission auch prüfen, wie die Arbeitsbedingungen für die im Verkehrssektor Beschäftigten verbessert werden können und wie der Beruf attraktiver gemacht werden kann, insbesondere in den Branchen, in denen ein erheblicher Mangel besteht, zum Beispiel im Seeverkehr.

Auf Lösungen drängen

Die gegenwärtige Pandemie hat auch offenbart, wie stark die Wirtschaft der EU von globalen Lieferketten abhängig ist und welche Schlüsselrolle der Verkehr spielt – sei es in der Form von Verbindungen per Luft, über die See oder über Land. Globale Herausforderungen, zum Beispiel den Klimawandel oder eine bessere Vernetzung mit der übrigen Welt, kann die EU nicht alleine bewältigen. Als ein starker Befürworter des Multilateralismus kann Europa jedoch auf die von uns gewünschten Lösungen drängen. Das beste Beispiel hierfür ist unser Bestreben, die internationalen Regelungen der zuständigen Agenturen der Vereinten Nationen zur Reduzierung der Emissionen und zur Erhöhung der Sicherheit in der Luftfahrt und im Seeverkehr mitzugestalten. In den nächsten fünf Jahren wird die Kommission hier weiterhin präsent sein und sich für gemeinsame Maßnahmen zur Überwindung gemeinsamer Herausforderungen engagieren sowie auf deren Umsetzung drängen. Es wird nicht immer einfach sein und wir werden wahrscheinlich nicht all unsere Ziele erreichen, aber wir werden bei diesen internationalen Themen nicht lockerlassen.

Dank der besseren Vernetzung können die Bürger der EU sich intensiver sozial engagieren. Jeder Bürger in der EU hat das Recht auf Mobilität. Wir können die Weise, in der wir uns fortbewegen, ändern, aber wir werden uns immer fortbewegen. Es ist jedoch wichtig, dass wir dafür Sorge tragen, dass wir diesen Weg nicht alleine gehen. Es ist wichtig, dass wir auf die Leute vor Ort hören. Ich hoffe, dass unsere transparente Vorgehensweise dazu führen wird, dass die verschiedenen Akteure, sei es die Industrie, die Zivilgesellschaft oder die einzelnen Bürger, sich beim Bauen des künftigen Verkehrssystems der EU einbringen werden.
In meiner Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität, die demnächst veröffentlicht wird, werde ich meine Vision zur Änderung unserer Verkehrs- und Mobilitätssysteme für die nächsten Jahrzehnte vorstellen. Ich lade jeden ein, der ein Interesse an dieser Reise hat, seine Ideen mit uns zu teilen. Gemeinsam werden wir erfolgreich unseren Verkehrssektor grüner, intelligenter, sicherer, fairer, wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger gestalten.

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