Personal
21.12.2022

Was gegen den Fahrermangel hilft –
und was nicht

Die anhaltenden Schwierigkeiten in der Personalgewinnung, insbesondere beim Fahrpersonal, resultieren primär aus der bestehenden Schieflage von Angebot und Nachfrage auf dem ­Arbeitsmarkt. Wer dieses Faktum zur Kenntnis nimmt und als grundlegend für die aktuelle Sachlage akzeptiert, kann wirksame Strategien und Maßnahmen entwickeln. Ein Gastbeitrag von Michael Weber-Wernz (Foto), Fachbe­reichsleiter Bildung im VDV und Geschäftsführer der VDV-Akademie.


Der „Arbeitnehmermarkt“ und seine Auswirkungen sind Ursache für den Mangel an Fahrerinnen und Fahrern. Hinzu kommt, dass die Außensicht auf den Fahrdienst in den vergangenen Jahren kritischer geworden ist. Vermehrte Übergriffe auf Busfahrerinnen und Busfahrer, als beschwerlich empfundene Nacht- und Schichtdienste, zu wenig Teilzeitangebote, zu wenig Spielräume für eine fahrerfreundliche Balance von Beruf und Freizeit und einiges andere haben bei einem wesentlichen Teil der potenziellen Bewerberinnen und Bewerber eine Meinung geprägt, die lautet: Der Arbeitsplatz in Bus und Bahn ist nicht besonders attraktiv.

Personal gewinnen und binden

Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung sind zwei Seiten einer Medaille – das eine geht nicht ohne das andere. Jegliche Maßnahme, die auf Personalgewinnung abzielt, sollte stets auch eine nachhaltige Mitarbeiterbindung in den Blick nehmen. Das tangiert viele relevante unternehmerische Arbeitsprozesse. Die ÖV-Branche wird, wie viele andere auch, in den kommenden Jahren mehr Fachkräfte aus Drittstaaten, den Westbalkanländern und der EU gewinnen müssen. Nur so sind die ambitionierten Ziele des erforderlichen Baby-Boomer-Personalersatzes und der Verkehrswende realisierbar. Umso wichtiger wird es, die betriebliche Integration im umfassenden Verständnis als Herausforderung zu begreifen. Analysen zu „Engpassberufen“ veranschaulichen, dass mehr Teilzeitangebote ein bis zu zehn Prozent größeres Personaltableau zur Folge haben können. Was hindert Unternehmen daran, dies für den Fahrdienst auszuprobieren?

Jeder Vorschlag und jede Entscheidung, die auf eine Linderung des Personalmangels abzielt, sollte bezogen auf ihre Sinnhaftigkeit und ihre Folgen analysiert und diskutiert werden. Wer, wie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo), in seinem Positionspapier „Reform der Berufskraftfahrerausbildung ,2 in 1‘“, die „Hauptursache des enormen Fahrermangels und der unzureichenden Gewinnung neuer Busfahrer:innen“ in der „komplizierten Umsetzung der europäischen Berufskraftfahrer-Richtlinie“ sieht und außerdem den gesetzlich vorgeschriebenen zeitlichen Umfang für den Erwerb des Führerscheins Klasse D als Ursache anführt, vermittelt den Eindruck, als bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang von Kraftfahrerausbildung und Fahrermangel. Den gibt es jedoch nicht.

Irrwege sollte man nicht mitgehen

Der bdo fordert eine Reduzierung der Pflichtstunden für den Führerscheinerwerb Klasse D um fast 50 Prozent (48 bis 83 Stunden statt 79,5 bis 103 Stunden Theorie und Praxis). Dies sei erforderlich, damit die „vielen guten“ Fahrschüler frühzeitiger als heute die Prüfung absolvieren können. Zahlen gibt es dazu keine. Außerdem werde dies in Österreich mit Erfolg praktiziert (33,3 Pflichtstunden Theorie und Praxis für Klasse D).

Zu Letzterem sollte man wissen, dass die Erfahrungen vieler Fahrschulen in Österreich andere sind. Die gesetzlich festgelegte Mindestausbildung ist in der Regel nicht geeignet, Fahrschüler auf eine erfolgreiche Prüfung vorzubereiten. In der Regel erfolgt in Fahrschulen, die in den und für die öffentlichen Verkehrsunternehmen ausbilden, ein circa 30- bis 35-stündiger Praxisunterricht (statt die acht vorgeschriebenen Stunden). Die vorgeschriebenen Zeiten für die Theorieausbildung werden überwiegend gesprengt. Es nützt letztlich nichts, wenn in Deutschland die Pflichtstunden gesenkt werden, die Gefahr jedoch hoch ist, dem „Austria-Syndrom“ zu unterliegen.

Sinnvoller erscheint eine Beibehaltung der Theorie- und Praxis-Pflichtstunden mit einem eingebauten zeitorientierten Flexibilisierungsfaktor, der es den schneller qualifizierten Fahrschülerinnen und Fahrschülern erlaubt, frühzeitiger die Prüfungen absolvieren zu können. Das würde die Entscheidungskompetenz von Fahrlehrern erhöhen, Fahrschüler zufriedener machen und gleichzeitig den Druck von denen nehmen, die eine längere Ausbildungszeit benötigen. Die duale Berufsausbildung kann mit ihren Möglichkeiten einer Verkürzung der Ausbildungszeit hierbei als Blaupause dienen.

Spracherwerb und Mindestalter

Für die vom bdo geforderte Integration der „normalen“ Berufskraftfahrerqualifizierung in die Führerschein­ausbildung Klasse D wird wiederum Österreich als Begründung angeführt. In Österreich ist die Berufskraftfahrerqualifizierung jedoch nicht geregelt. Eine separate Ausbildung wie die beschleunigte Grundqualifikation in Deutschland gibt es nicht. Und da in Deutschland die Zahl derjenigen, die die umfangreiche Grundqualifikationsprüfung absolvieren, verschwindend gering ist, macht dieser Vorschlag kaum Sinn. Es sei denn, man möchte die Fahrschüler mit dieser Variante auf die Prüfung zur beschleunigten Grundqualifikation vorbereiten. Das würde in dem bdo-Modell eine Reduzierung der heute bestehenden Qualifizierungsregelung von 140 auf maximal 40 Stunden bedeuten. Warum an der Bildung sparen?

Busfahrer müssen die Landessprache auf dem Sprachlevel B2 beherrschen, da ansonsten eine Kommunikation mit Fahrgästen, mehr noch mit den Leitstellen und den Hilfskräften bei Unfällen, nur rudimentär möglich ist. Dies gilt insbesondere im Linienverkehr. Der bdo empfiehlt, „das Sprachniveau auf ein verständlicheres, dem alltäglichen beruflichen Sprachgebrauch von Busfahrer:innen (anzupassen)“. Dem ist zuzustimmen – im oben genannten Sinne.

Die Forderung nach einer Absenkung des Mindestalters von 23 auf 21 Jahre, um Fahrer in allen Verkehren und unbeschränkten Linienlängen einsetzen zu können, sollte nur für diejenigen gelten, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung im Fahrdienst mit Personenbeförderung vorweisen können. Eine uneingeschränkte Öffnung auf alle Verkehre und Linienlängen für Fachkräfte im Fahrbetrieb oder Berufskraftfahrer mit einer dreijährigen Berufsausbildung bereits mit 18 Jahren ist nicht zielführend. Dies ist bereits vor Einführung des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes (BKrFQG) 2004/2005 und der damit einhergehenden Anpassung der Fahrerlaubnisverordnung ausführlich erörtert worden.

Die Diskussion zu erfolgreichen Strategien und Maßnahmen gegen den Fahrermangel, insgesamt zum Arbeitskräftemangel, stehen am Anfang. Sie sind wichtig. In der Personenbeförderung müssen sie stets an den Prinzipien der Verkehrssicherheit, Kundenorientierung und Wirtschaftlichkeit gemessen werden.

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