Infrastruktur
06.07.2021

Standardisierte Bewertung:

Klimaschutz und Daseinsvorsorge spielen wichtigere Rolle

Kurz vor Ende der Legislaturperiode kommt Bewegung in ein weiteres verkehrspolitisches Thema, für das sich der VDV seit langer Zeit einsetzt: die Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr, so der vollständige Name. Bei diesem Verfahren wird ermittelt, ob Infrastrukturprojekte im Schienennahverkehr, die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert werden, volkswirtschaftlich sinnvoll sind. In einem Schreiben an seine Länderkolleginnen und -kollegen teilte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer die Grundzüge einer Reform der Standardisierten Bewertung mit. Künftig werden „neben den quantifizierbaren verkehrlichen Wirkungen auch Umwelt- und Klimawirkungen sowie übergeordnete politische Zielsetzungen adäquat Berücksichtigung finden“, heißt es darin. Bauvorhaben können bislang vom Bund nur mit GVFG-Mitteln gefördert werden, wenn die Standardisierte Bewertung einen Wert über 1 ermittelt. Das heißt: Der Nutzen muss das 1,X-fache der Kosten betragen. Dann ist ein Vorhaben nützlich.

Der VDV, Vertreter der Länder und Teile der Politik kritisieren, dass das bisherige Verfahren den klimapolitischen Nutzen von Neu- und Ausbauprojekten nicht ausreichend berücksichtige. „Die Standardisierte Bewertung ist ein zentrales Instrument, um Baumaßnahmen im ÖPNV bezüglich ihrer Förderfähigkeit zu prüfen“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Aber die dort zugrunde liegenden Kriterien sind zum Teil 40 Jahre alt und entsprechen daher nicht mehr den heutigen Anforderungen und gesamtgesellschaftlichen Zielen, etwa beim Klimaschutz oder bei der Barrierefreiheit.“ Genau deshalb werde eine Anpassung der Standardisierten Bewertung benötigt, um schneller und mehr Aus- und Neubauprojekte sowie Modernisierungsmaßnahmen von Infrastrukturen im Sinne der Mobilitätswende umsetzen zu können.

Um Bauprojekte zu realisieren, die für die Mobilitätswende eine hohe Bedeutung haben, soll das Verfahren künftig in vier Grundsätzen geändert werden – darunter auch die volkswirtschaftliche Nutzen-Kosten-Berechnung. Dabei soll der Schaden, der durch die CO2- und Stickoxid-Emissionen des Autoverkehrs verursacht wird, höher gewichtet werden. Zudem soll es eine Nutzwertanalyse geben, durch die „nicht monetarisierbare Nutzenkomponenten aus den Bereichen Nachhaltigkeit im Verkehr, Daseinsvorsorge oder Klimaschutz angemessen Berücksichtigung finden“, heißt es in dem Schreiben aus dem BMVI. Nicht mehr negativ angerechnet werden sollen auch die Kosten für die barrierefreie Gestaltung von Stationen und Haltestellen. „Die nun vorliegende Überarbeitung des Bundesverkehrsministeriums findet unsere volle Unterstützung“, so VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Viele Vorschläge, die wir als Branchen- und Fachverband eingebracht haben, finden sich dort wieder.“

Ende 2021 soll die neue Standardisierte Bewertung kommen. Derzeit läuft ein Forschungsvorhaben, das das Verfahren und die Bewertungsansätze fachlich herleitet. Nach Abschluss soll die neue Verfahrensanleitung für die Bewertung von GVFG-Vorhaben bekannt gegeben und in Kraft gesetzt werden.

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