Verkehrspolitik
29.01.2020

Aus einer Vision wird Wirklichkeit

Osnabrück geht seinen eigenen Weg in Richtung Verkehrswende und kommt dabei sichtbar voran. Mit dem Projekt „Mobile Zukunft“ betreiben die Stadtverwaltung und die Stadtwerke gemeinsam den Wandel. Größere und kleinere Einzelprojekte schaffen Schritt für Schritt Alternativen zum Autofahren – und bringen auf lange Sicht mehr Lebensqualität in die Stadt.

Unter den deutschen Großstädten zählt Osnabrück zu den kleineren. Auch im übertragenen Sinn sind die Wege zwischen der Stadtverwaltung, den Stadtwerken und der Politik kurz. Diesen Standortvorteil nutzen die Niedersachsen konsequent: Die 170.000-Einwohner-Stadt arbeitet zielstrebig daran, ihre Vision von der Mobilität der Zukunft zu verwirklichen. Am Berliner Platz 1 laufen dafür die Fäden zusammen. In dem Gebäude unweit der Stadtwerke-Zentrale hat das Büro des Projekts „Mobile Zukunft“ seinen Sitz – eine Anlaufstelle und Kommunikationsplattform für Menschen, die über Verkehrsthemen reden wollen.

Hier gehen auch Brigitte Strathmann und Joachim Kossow (Foto) ein und aus. Sie leiten gemeinsam das Ende 2016 von Stadtverwaltung und Stadtwerken ins Leben gerufene Projekt. Seitdem arbeiten sie als Vertreter der jeweiligen Seite im „Tandem“. Diese Organisationsstruktur dürfte in Deutschland wohl einmalig sein. In den vergangenen drei Jahren haben sie viel angeschoben. „Wir wollten den Osnabrückern schnell zeigen, was gelebter Mobilitätswandel bedeutet“, erinnert sich die Stadtplanerin Brigitte Strathmann. Die Konzepte lagen bereits in den Schubladen. „Es kam uns darauf an, vom Reden ins Handeln zu kommen“, betont ihr Kollege Joachim Kossow, der bei den Stadtwerken für die E-Busse verantwortlich ist: „,Mobile Zukunft‘ steht für den Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr.“ Um die Verkehrswende stärker in das Bewusstsein der Menschen zu rücken, war Aufbauarbeit vonnöten, je nach Bedarf mit den Kolleginnen und Kollegen aus beiden Häusern. In Osna­brück gibt es immer mehr Autos – ein „Weiter so“ erscheint unmöglich. „Wir wollen spürbar weniger Individualverkehr“, verdeutlicht Dr. Stephan Rolfes das Ziel. „Es geht um die Lebensqualität“, sagt der Mobilitätsvorstand der Stadtwerke.

13 Fahrzeuge bilden derzeit die Flotte der E-Gelenkbusse, 49 weitere werden folgen. In den Bussen lässt sich mit der farbigen Innenbeleuchtung eine besondere Lichtstimmung erzeugen.

Wir wollen spürbar weniger Individualverkehr. Es geht um die Lebensqualität.

Dr. Stephan Rolfes,
Mobilitätsvorstand der Stadtwerke Osnabrück

Diesen Zielen kommen die Osnabrückerinnen und Osnabrücker schrittweise näher. Nach und nach setzen sie die Einzelteile ihrer Mobilitätswende wie ein Puzzle zusammen. Hinter den Projekten stehen zum Teil Ratspolitiker als Paten. Eine Radabstellanlage in bester City-Lage, Park-and-ride, Busbeschleunigung, Mobilitätsstationen, Veranstaltungen und Aktionstage passen ebenso ins Gesamtbild wie größere Vorhaben – etwa die Elektrifizierung des Busverkehrs. Hier hat Osnabrück eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen. Vor zehn Jahren wurde dieser Weg eingeschlagen, lange bevor die Diskussion um Stickoxide aufkam. „Es ist nicht das Ziel, mit möglichst wenig Emissionen unterwegs zu sein, sondern mit gar keinen“, bekräftigt Stephan Rolfes. Mittlerweile gehören neue Gelenkbusse mit Batterieantrieb zum Stadtbild. Seit März 2019 bedienen sie die Metrobus-Linie M 1 zwischen Haste im Norden und Düstrup im Südosten komplett elektrisch. Dafür hat der niederländische Hersteller VDL 13 Fahrzeuge samt Ladeinfrastruktur an den Endhaltestellen sowie im Betriebshof geliefert. Bis 2022 sollen alle fünf Metrobus-Linien elektrifiziert werden. Weitere 49 E-Gelenkbusse sind bestellt. Bis die einwohnerstärkeren Städte aufgeholt haben, wird auf den Straßen Osnabrücks Deutschlands größte Flotte an E-Gelenkbussen rollen – emissionsfrei mit Ökostrom und bis auf die Rollgeräusche lautlos. Die Gesamtinvestition von gut 70 Millionen Euro kann zur Hälfte aus Fördermitteln gedeckt werden. Ein Großteil der Summe wird vom Bund aus dem Sofortprogramm „Saubere Luft“ gefördert. Weitere Mittel kommen von der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) und vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Neues Liniennetz geht in Betrieb

Anfang Februar ergänzen die Osnabrücker ihr Gesamtbild von der Mobilitätswende um ein weiteres elementares Stück. Dann geht das neue Liniennetz in Betrieb. „Damit werden wir den Nahverkehr in der Stadt weiter stärken und ihn mit dem Umland enger verflechten“, erklärt Thomas Schniedermann. Als Leiter Fahrplan hat er seit drei Jahren maßgeblich am neuen Netz mitgearbeitet. Intensiv beteiligt waren auch die Bürger und der Fahrgastbeirat. Knapp acht Millionen Kilometer werden die Busse jedes Jahr zurücklegen. Das entspricht einem Plus von zehn Prozent. Die fünf Metrobus-Linien werden beschleunigt und als wichtige Achsen ausgebaut. Ergänzt werden sie durch Stadtbus-Linien sowie eine neue Ringlinie, die mehrere Stadtteile miteinander direkt verknüpft. „Dadurch verkürzen wir auf bestimmten Verbindungen die Fahrzeiten“, erläutert Thomas Schniedermann. Schon im Oktober 2019 sollte die Netzreform umgesetzt werden. Es fehlte jedoch an Fahrpersonal.

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Derzeit nutzen jährlich 36,5 Millionen Kunden die Busse der Stadtwerke, die mit neun weiteren Partnerunternehmen die Verkehrsgemeinschaft Osnabrück (VOS) bilden. 20 Prozent mehr Fahrgäste sind das Ziel für die nächsten zehn Jahre. Das soll unter anderem durch einen vereinfachten Zugang zum ÖPNV erreicht werden. Bei der Digitalisierung sind die Osnabrücker ebenfalls führend. Als erstes Unternehmen der deutschen Nahverkehrsbranche werden die Stadtwerke noch in diesem Jahr das Check-in/Be-out-System (Cibo) im Regelverkehr einführen. Mit nur einem Tipp auf ihr Smartphone können sich Fahrgäste dann in einen Bus „einchecken“.

Nach dem Aussteigen läuft das Auschecken automatisch. „Cibo“ nimmt Gelegenheitskunden die Entscheidung ab, welches Ticket gerade passt: Das System ermittelt das günstigste Angebot. Abgerechnet wird zum besten Preis (siehe Infografik). Als Basis dient die Mobilitäts-App „VOS Pilot“, die den ÖPNV in der Stadt und im Landkreis von Tür zu Tür miteinander verknüpft. Parallel haben die Stadtwerke ein digitales Mobilitätsportal entwickelt, in das auch der autonom fahrende Minibus „Hubi“ als On-demand-Angebot eingebunden wird. „,Hubi‘ ist ein Zubringer zu den Bussen und ein Shuttle für die letzte Meile“, sagt Projektleiterin Sandra van Tongern. Derzeit dreht er seine Runden auf öffentlichen Straßen am Innovations Centrum Osnabrück (ICO). Mit „Hubi“ haben die Stadtwerke im Rahmen eines Förderprojekts des Bundes Erfahrungen gesammelt, wie solche Verkehre auf Abruf in eine derartige digitale Mobilitätsplattform integriert werden können. Demnächst soll „Hubi“ im Umland zum Einsatz kommen. Sandra van Tongern freut sich über die Aufmerksamkeit für den Minibus: „Das Interesse von Nutzern und Medien ist riesig.“

Check-in/Be-out: Mit diesem System sind die Stadtwerke Osnabrück Vorreiter im deutschen Nahverkehr. „Cibo“ wird über die Mobilitäts-App „VOS Pilot“ nutzbar sein.

Alle Projekte und weitere Infos unter:

www.mobilitaetswende-os.de
www.mozu-os.info

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