Infrastruktur
21.03.2023

„Die Fördermittel waren wie ein Befreiungsschlag“

Verkehrswege kosten viel Geld – beim Bau und in der Instandhaltung. Anders als die Transporteure auf der Straße sollen die Bahnen ihre Wegekosten vollständig selbst tragen. Nicht nur das verzerrt den Wettbewerb spürbar. Chronisch unterfinanziert ist vor allem die Infrastruktur der Nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Die ihnen zugedachten Fördertöpfe von Bund und Ländern reichen bei Weitem nicht aus, um den Sanierungs- und Modernisierungsstau nur annähernd zu beheben. Doch auch mit dem sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein können die meist kleineren Güterbahnen viel bewegen – wie die in Ostwestfalen ansässige Mindener Kreisbahnen GmbH (mkb).

20

Prozent

ihrer Gleislänge konnte die mkb mit SGFFG-Fördermitteln in Höhe von 5,1 Millionen Euro bereits sanieren.


Es ist ein langes Wort, das seine sinnvolle Wirkung im Kleinen entfaltet: Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz (SGFFG). Die damit verbundenen Fördermittel haben so mancher Nichtbundeseigenen Güterbahn neue Möglichkeiten eröffnet, in ihr Schienennetz zu investieren. Gefördert werden vorrangig Investitionen in den Ersatz und Erhalt, aber auch den Aus- und Neubau von überwiegend für den Güterverkehr genutzten Strecken und Verladeeinrichtungen der NE-Bahnen. Voraussetzung ist, dass die Infrastrukturen für alle Eisenbahnen zugänglich – also öffentlich – sind.

Im Vergleich zu den Milliardensummen, mit denen die bundeseigene Eisenbahninfrastruktur gefördert wird, nehmen sich die Summen, die den NE-Bahnen zugedacht sind, verschwindend gering aus. Wie wichtig diese Zuschüsse für die überwiegend kleineren Unternehmen dennoch sind, zeigt ein Beispiel aus dem nordöstlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens. Unweit der Hauptstrecke zwischen Bielefeld und Hannover und in der Nähe des Industriehafens schlägt das Herz der Mindener Kreisbahnen GmbH (mkb). Seine Herzkammern sind ein Verwaltungsgebäude, eine Werkstatt für Busse und Schienenfahrzeuge, Abstellhallen sowie ein Gleisfeld für Güterzüge mit einer Länge bis zu 740 Metern. Rund um diesen Betriebsmittelpunkt erstreckt sich ein 40 Kilometer langes Schienennetz mit einer Gleislänge von insgesamt etwas mehr als 50 Kilometern in den Kreis Minden-Lübbecke. Hier betreibt die mkb mit ihren vier leistungsstarken Dieselloks regionalen Schienengüterverkehr. Und nicht nur das: Für den deutschlandweiten Fernverkehr unter anderem nach Bremerhaven und Hamburg zählen drei moderne Zweikraftloks vom Typ Siemens Vectron Dual Mode zum Fuhrpark. Auf der Langstrecke fahren sie elektrisch, auf nicht elektrifizierten Strecken beziehungsweise der ersten und letzten Meile ohne jede Leistungseinbuße mit Dieselantrieb. Bei Bedarf werden weitere Loks angemietet.

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„Kein Jahr zu früh“ sei die Förderung durch das SGFFG für die mkb gekommen, sagen Wolfgang Kramer, Leiter Technik, Einkauf und Infrastruktur sowie Jens Foppe, Leiter des Bereichs Geschäftsentwicklung: „Das war wie ein Befreiungsschlag.“ Der Bund und das Land NRW haben der mkb zwischen 2015 und 2021 Zuschüsse von knapp 5,1 Millionen Euro bereitgestellt – verteilt auf 3,3 Millionen aus dem SGFFG und 1,75 Millionen Euro aus der Landesförderung. Mit dem Geld hat die Sanierung der Schienenwege bei der mkb an Schwung gewonnen, und der Zustand des Bestandsnetzes wurde verbessert. Mittlerweile konnten zehn Weichen und fast zehn Kilometer Gleise saniert werden, was etwa einem Fünftel der gesamten Gleislänge entspricht. Sichtbarer, wenngleich bescheidener Erfolg: Die Schutzhaltsignale mit dem roten Rechteck auf weißem Grund (Sh2), die dem Lokpersonal die Weiterfahrt auf maroden Gleisen verbieten, gehören im mkb-Netz überwiegend der Vergangenheit an. Ohne die Fördermittel hätte wohl knapp die Hälfte der vorhandenen Gleislänge betrieblich gesperrt werden müssen. So kann das Unternehmen jetzt seine Transportleistungen für die regionale Wirtschaft aufrechterhalten. Das erspart der Umgebung unzählige Lkw-Fahrten. Ganz allgemein kann laut VDV ein Güterzug bis zu 52 Lkw ersetzen.

Für NE-Bahnen eine existenzielle Hilfe

In Minden wird das SGFFG somit als existenziell gesehen – eine Einschätzung, die andere Nichtbundeseigene Eisenbahninfrastrukturunternehmen teilen dürften. Seitdem es die Förderung gibt, gehört die mkb jedes Jahr zu den Antragstellern. „Ausgesprochen aufwendig“ sei es, die Bundesmittel zu beantragen. Eine Vereinfachung des Verfahrens und eine schnellere Bearbeitung seien wünschenswert. Über 60 Seiten kämen pro Antrag an das Eisenbahnbundesamt schnell zusammen, berichten die mkb-Fachleute. Bürokratischer Aufwand, der sich jedoch lohnen kann. Denn werden die Fördermittel aus dem SGFFG bewilligt, muss nur noch rund ein Zehntel der Investitionssumme selbst getragen werden. Möglich macht das die Kofinanzierung durch das Land. Nordrhein-Westfalen gehört zu den wenigen „Aufstockern“, die die 50-prozentige SGFFG-Förderung des Bundes um weitere 40 Prozent erhöhen. In den Jahren 2018 bis 2022 hat NRW mehr als 100 Maßnahmen von 22 Nichtbundeseigenen Eisenbahnen mit rund 28 Millionen Euro bezuschusst.

SGFFG fördert Infrastruktur von NE-Bahnen

Mit dem Inkrafttreten des Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetzes (SGFFG) stellte der Bund 2013 erstmals einen Betrag zur Förderung der Infrastruktur öffentlicher Nichtbundeseigener Eisenbahnen bereit – damals 25 Millionen Euro. Zu 50 Prozent werden Investitionen in die Schienenwege öffentlicher nichtbundeseigener Eisenbahnen bezuschusst, die dem Schienengüterfernverkehr dienen – für den Ersatz, Neu- und Ausbau. Im Gegenzug wird das geförderte Unternehmen verpflichtet, den geförderten Schienenweg während der technisch möglichen und üblichen Nutzungszeit der ersetzten Anlage betriebsbereit vorzuhalten. Mit der Förderquote von 50 Prozent bleibt das SGFFG deutlich hinter der tatsächlichen Förderquote von Ersatzinvestitionen bundeseigener Unternehmen im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen (LuFV) zurück. Von der Konzeption her ist die Bundesförderung auf eine Kofinanzierung der Länder ausgerichtet. Bislang stellen jedoch nur wenige Bundesländer Mittel zur Kofinanzierung bereit.

Ende vergangenen Jahres drohte diesem Zuschuss der Rotstift. Nachdem im ersten Ansatz des Landeshaushalts für 2023 vorgesehen war, die Mittel trotz deutlicher Überzeichnung um fünf Millionen auf sieben Millionen Euro zu kürzen, wurden nach einem Hinweis des VDV an die Fraktionen der schwarz-grünen Landesregierung auch für das laufende Jahr wieder zwölf Millionen Euro eingeplant. „Hintergrund der geplanten Kürzung war der stockende Mittelabfluss“, erklärt Volker Wente, Geschäftsführer VDV Nordrhein-Westfalen: „Dafür waren weder das Land noch die Verkehrsunternehmen verantwortlich. Ursache war, dass der Bund die SGFFG-Fördermittel erst kurz vor Weihnachten ausgereicht hatte.“ Da der Bund seine Baukostenzuschüsse für NE-Bahnen um 17,5 Millionen auf 42,5 Millionen Euro erhöhen will, wird sich der VDV NRW dafür stark machen, dass die Kofinanzierung des Landes künftig im gleichen Maße steigt.

„An diesem Ast sollte die Politik auf keinen Fall sägen“, betont auch mkb-Mann Jens Foppe. Zwar ist die mkb angesichts der für NE-Bahnen spärlich tröpfelnden Fördermittel noch weit davon entfernt, an Aus- und Neubaumaßnahmen zu denken. Aber immerhin können sie mit den Investitionen ihr Netz erhalten und die Qualität ihres Betriebs sichern. Diese Transportleistungen nutzt beispielsweise seit über 15 Jahren auch die Berentzen-Gruppe. Bis zu dreimal täglich pendeln jeweils bis zu vier Güterwagen zwischen dem Mindener Werk des Spirituosenherstellers und dem mkb-Bahnhof Minden Friedrich-Wilhelm-Straße. Abends wird der aus den Gruppen zusammengestellte Güterzug in das Zentrallager des Logistikers „Nosta“ im 20 Kilometer entfernten Stadthagen überführt. Möglich machen es eigene Gleisanschlüsse.

Förderung ermöglicht Getreidetransport

Weiterer Verkehrsschwerpunkt ist die Anbindung von Häfen rund um die Weser und den Mittellandkanal, die sich in Minden kreuzen. In den Jahren 2015 bis 2020 konnte eine Anschlussbahn zum Mischfutterwerk der Agravis-Gruppe wieder in Betrieb genommen werden, über die vor dem Krieg gegen die Ukraine pro Jahr rund 20.000 Tonnen Getreide transportiert wurden. Zuletzt brachen die Mengen zwar ein. Es ist aber erkennbar, dass die Volumina seit 2023 über andere Wege nach Ostwestfalen-Lippe zurückkommen.

MKB: Bus- und Schienengüterverkehr für den kreis Minden-Lübbecke

Die mkb-Unternehmensgruppe besteht aus der Mindener Kreisbahnen GmbH und der MKB-MühlenkreisBus GmbH - zwei eigenständige Unternehmen. Dabei betreibt die Mindener Kreisbahnen GmbH Eisenbahngüterverkehr, stellt die Infrastruktur bereit und übernimmt übergeordnete administrative Aufgaben der Unternehmensgruppe. Als 100-prozentige Tochtergesellschaft bietet die MKB-MühlenkreisBus mit rund 120 Bussen ÖPNV-Leistungen im Kreis Minden-Lübbecke. Der Sitz beider Unternehmen befindet sich in einem Mindener Gewerbegebiet unweit des Industriehafens und des DB-Güterbahnhofs. Der Omnibusbetrieb verfügt zudem über Standorte in Petershagen und Lübbecke.

Mehr Infos: www.mkb.de

Auch auf dem Mindener Stadtgebiet bedient die mkb Hafenanlagen. Der Weg vom zentralen Bahnhof Minden Friedrich-Wilhelm-Straße dorthin führt über die mehrteilige Weserbrücke, deren Hauptbrückenbauwerk noch aus 1898, dem Eröffnungsjahr der mkb, stammt. Bei dem Bauwerk sind Brückenbalken zu erneuern, die ein bestimmtes Fräsprofil benötigen. Das macht den Austausch aufwendig. Auch dafür werden die Fördermittel benötigt. Für eventuelle Arbeiten am Brückenbauwerk selbst ist dagegen auf absehbare Zeit kein Geld da. Etwas neidisch schielen die Mindener dann schon auf den Wettbewerber Lkw – und wie er die für ihn zum Teil kostenlos vorgehaltene Infrastruktur nutzt: Vor knapp zehn Jahren sind an der nahegelegenen Autobahn 2 die beiden Raststätten Lipperland Nord und Süd in Betrieb genommen worden. Fernfahrer können dort kostenlos parken. Eisenbahnunternehmen wie die mkb, die ohnehin für jeden Meter befahrener Gleisanlagen Nutzungsentgelte an die Betreiber der Schienenwege entrichten, müssen dagegen zusätzlich für die Abstellgleise Miete zum Beispiel an DB Netz berappen. Nur ein weiteres Beispiel für die Ungleichheiten und Verzerrungen im Wettbewerb zwischen Schiene und Straße, die nicht nur die beiden mkb-Fachleute Wolfgang Kramer und Jens Foppe „wurmen“: „Würde hierzulande die Eisenbahninfrastruktur annähernd wie die der Straße behandelt, das wäre schon traumhaft.“

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