Europa
14.06.2022

ÖPNV-Vertrieb:

VDV warnt vor Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten

Plattformbetreiber privatisieren Gewinne, während die Allgemeinheit die Verluste trägt: So weit darf es laut VDV nicht kommen. Der Verband warnt davor, dass im nicht profitabel zu betreibenden ÖPNV-Geschäft privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen Gewinnmargen im Vertrieb erzielen sollen, während Investitionen und laufende Kosten, die für die Wertschöpfung benötigt werden, den Verkehrsunternehmen und -verbünden überlassen werden. Also der öffentlichen Hand. „Es geht um die Frage, wer zukünftig Zugang zu den Kundinnen und Kunden hat“, betont VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Hintergrund ist eine Gesetzesinitiative für multimodale, digitale Verkehrsdienste (MDMS), die die Europäische Kommission für Anfang 2023 angekündigt hat und die sich auf den Vertrieb auswirken könnte.

Die Politik sollte beim ÖPNV-Vertrieb weiterhin einen gemeinwohlorientierten Ansatz verfolgen.

Oliver Wolff,
VDV-Hauptgeschäftsführer

Wie ein europäischer Gesetzesrahmen mit Augenmaß gelingen kann, veranschaulicht der VDV in einem neuen Positionspapier anhand von zehn Eckpunkten. Veröffentlicht wurden die Punkte anlässlich des 7. VDV-Symposiums zur Multimodalität. Mit Blick auf die Vertragsfreiheit soll beispielsweise jedes Unternehmen und jeder Verbund die Entscheidung selbst treffen, ob mit bestimmten Industrie­partnern oder Plattformen kooperiert werden soll oder nicht. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und welche Fahrscheine zu welchen Konditionen verkauft werden sollen.

Der VDV beteiligt sich an allen Schritten des seit Oktober 2020 laufenden Konsultationsverfahrens zur geplanten EU-Initiative. „Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass die Kommission keine Öffnung des Vertriebs vorgeben sollte“, unterstreicht Oliver Wolff. Die Erfahrung zeige, dass privatwirtschaftliche Mobility-as-a-Service-Anbieter dort, wo es ihnen ermöglicht wurde, verstärkt in Konkurrenz zu den Verkehrsunternehmen und zu bestehenden Vertriebswegen gehen. Zudem hätten die öffentlichen Verkehrsunternehmen in Deutschland dadurch einen Wettbewerbsnachteil, dass sie neben digitalen Ticketing-Lösungen auch weiterhin dazu verpflichtet seien, analogen Vertrieb an Automaten und in Kundencentern zu gewährleisten. „Da davon auszugehen ist, dass nur Monopolstellungen in der Plattformwirtschaft gewinnversprechend sind“, so Oliver Wolff, „sollte die Politik einen gemeinwohlorientierten Ansatz verfolgen.“

Das Positionspapier finden Sie unter:
www.vdv.de/positionen

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