Deutschland-Ticket:

Was jetzt ­angepackt werden muss

Mehr Anstrengungen und Ehrgeiz sind gefordert: Dass die Ampelkoalition nicht auf Kurs ist, das Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen, mahnten jüngst der Expertenrat für Klimafragen und verschiedene Verbände an. Auch beim Deutschland-Ticket gibt es Handlungsbedarf, um die Zukunft des ÖPNV-Abos zu sichern.



Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Erfolgsgeschichte: Etwa zehn Millionen Fahrgäste nutzten im Juli und August das Deutschland-Ticket. Erstmals lassen neue Ergebnisse der Marktforschung eine Verkehrsverlagerung erkennen: Etwa fünf Prozent aller Fahrten mit dem D-Ticket wären sonst mit dem Auto unternommen worden.

Jetzt kommt es darauf an, dass das D-Ticket auf einem soliden finanziellen Grund steht.

Oliver Wolff
VDV-Hauptgeschäftsführer

Zwar hat sich die erste große Verkaufswelle etwas abgeschwächt, die Zahlen blieben im Juli und August konstant. Aber die Branche sieht einiges an Potenzial – vor allem die drei Millionen Studierenden. „Für sie gibt es jedoch leider nach wie vor keine politische Lösung für ein bundesweit einheitliches Deutschland-Ticket“, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann. Bei den Jobtickets liefen die Umstellungen und Neubestellungen anfangs sehr gut, ließen in der Urlaubszeit jedoch nach. „Hier erwarten wir einen Anstieg im September“, so Ingo Wortmann.

Von den Abonnentinnen und Abonnenten des D-Tickets hatten 42 Prozent schon vorher ein ÖPNV-Abo. 47 Prozent fuhren bereits zuvor mit Bussen und Bahnen, haben jedoch nun erstmalig ein Abo abgeschlossen. Acht Prozent sind „echte“ Neukundinnen und -kunden: Sie haben vorher den ÖPNV nicht genutzt. Die aktuellen Ergebnisse bestätigen, dass das D-Ticket ein überwiegend digital gekauftes Angebot bleibt: Fast zwei Drittel wurden digital über eine Website (42 Prozent) oder eine App (23 Prozent) bestellt.

Erste valide Ergebnisse liegen auch für die Verteilung auf Stadt und Land vor: In Metropolen und Großstädten besitzen 20 bis 30 Prozent der Befragten ein D-Ticket – obwohl es für Studierende sowie Schülerinnen und Schüler oft noch kein solches Angebot gibt. In Kleinstädten und im ländlichen Raum besitzen dagegen lediglich sechs Prozent ein D-Ticket.

5

Prozent aller
Fahrten wären ohne
D-Ticket mit dem
Auto gemacht worden.

VDV-Präsident Ingo Wortmann geht davon aus, dass vor allem Fahrgäste, die derzeit noch mit einem anderen ­ÖPNV-Abo unterwegs sind, die Entwicklung beim ­D-Ticket abwarten und nach der Urlaubszeit wechseln. Dafür sei jedoch eine möglichst zeitnahe Einigung von Bund und Ländern über die Anschlussfinanzierung des Tickets in den kommenden Jahren dringend geboten. „Solange nicht klar ist, dass die Finanzierung und damit der Fortbestand des D-Tickets gesichert sind, zögern viele Kundinnen und Kunden noch.“

„Jetzt kommt es darauf an, dass das D-Ticket auf einem soliden finanziellen Grund steht“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff: „Dafür ist insbesondere das Bundesfinanzministerium verantwortlich.“ Bund und Länder unterstützen die Umsetzung des D-Tickets mit jeweils 1,5 Milliarden Euro und haben bislang nur für 2023 zugesichert, zusätzlich mögliche Mehrkosten zu begleichen, die bei den Verkehrsunternehmen entstehen. Während die drei Milliarden Euro im laufenden Jahr die Einnahmeausfälle für das im Mai eingeführte Pauschalticket über acht Monate ausgleichen, soll dieselbe Summe im kommenden Jahr für zwölf Monate reichen.

Solange nicht klar ist, dass die Finanzierung und damit der Fortbestand des D-Tickets ­gesichert sind, zögern viele Kundinnen und Kunden noch.

Ingo Wortmann
VDV-Präsident

Hier weitere offene Baustellen:

„D-Ticket Uni“: Dass eine Einigung auf ein bundesweit gültiges Studierendenticket im D-Ticket-Standard nicht erreicht wurde, ist aus Sicht des VDV symptomatisch für die unzureichende Entwicklung beim D-Ticket insgesamt. Dem VDV zufolge ist die Preis-Leistungs-Differenz zwischen den bisherigen Semestertickets und dem bundesweit gültigen D-Ticket nicht mehr vermittelbar. Die Folge: Seit Mai treten Studierendenvertretungen aus den Verträgen für Semestertickets aus. Den Verkehrsunternehmen und -verbünden erschwert das zusätzlich die Kalkulation des kommenden Geschäftsjahres.

Fehlende Tarifgenehmigung ab Oktober: Ende September läuft die aktuelle Tarifgenehmigung für das D-Ticket aus. Die bisherige Grundlage ist die Annahme, dass die Genehmigung seitens des Bundes dadurch vorliegt, dass er die Finanzierung des Deutschland-Tickets sicherstellt – die sogenannte Tarifgenehmigungsfiktion.

Rabattierung des D-Tickets Job seitens des Bundes und der Länder: Sie führt zu dem attraktiven Preis von 34,30 Euro und endet im nächsten Jahr.

Ausbau des ÖPNV vor allem in ländlichen Gebieten: Dort kann das Deutschland-Ticket noch gar nicht greifen, da das Bus- und Bahn-Angebot erst ausgebaut werden muss. Die aktuellen Ergebnisse der Marktforschung, so Ingo Wortmann, zeigten einmal mehr, „dass ein günstiges ÖPNV-Ticket alleine nicht ausreicht, um die Menschen zum Kauf und damit zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen“. Das gelinge nur, wenn das Angebot vor Ort ­attraktiv genug ist. Ingo Wortmann: „Deshalb muss nach dem ­D-Ticket nun auch zeitnah das Deutschland-Angebot für den ÖPNV folgen.“

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