Freie Fahrt
für den Ökostrom

Immer mehr Verkehrsbetriebe steigen auf Elektromobilität um. Was bei Bahnen schon länger gang und gäbe ist, gilt verstärkt auch für Busse. „Getankt“ wird nicht mehr Dieselkraftstoff, sondern Ökostrom. Die Branche ist Vorreiter bei der Dekarbonisierung und damit für den Klimaschutz auf kommunaler Ebene. Die Zahl der E-Vorhaben wächst. Doch es gibt einiges zu beachten. Der VDV hat einen Leitfaden dazu verfasst.


An der Zugspitze leuchtet die „Bauchbinde“ des ICE schon länger nicht mehr rot, sondern grün. Sichtbares Zeichen für den Wandel der elektrischen Energieversorgung auf Schienen: Reisende der Deutschen Bahn (DB) sind im Fernverkehr in Deutschland bereits seit 2018 mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs. Das macht den Konzern nach eigenen Angaben zum größten Ökostromverbraucher im Lande. Bis 2030 sollen schon 80 Prozent des gesamten Bahnstroms aus erneuerbaren Energiequellen eingesetzt werden, bis 2038 dann 100 Prozent. Auch in Städten und zunehmend auf dem Land kommt die Antriebswende voran. Ende August waren laut VDV 1.068 E-Busse auf deutschen Straßen unterwegs, und es kommen jährlich etwa 1.000 hinzu – nicht zuletzt ausgelöst durch die „Clean Vehicles“-Richtlinie der Europäischen Union, die den Abschied vom Dieselbus massiv vorantreibt. Und die neuen Fahrzeuge fahren nicht etwa mit Strom aus Kohlekraftwerken, sondern zunehmend mit Ökostrom.

Was darunter zu verstehen ist, präzisiert ein „Leitfaden zur Nutzung von Ökostrom“, der in der Reihe der „VDV-Mitteilungen“ erschienen ist. Wer nur an Wind- und an Wasserkraft sowie Solarstrom denkt, hat noch nicht alle Spielarten des Ökostroms bedacht. Laut dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) zählen dazu auch Deponie-, Klär- und Grubengas, Geothermie sowie Energie aus Biomasse – allesamt Energieträger, die die Atmosphäre nicht weiter mit Treibhausgasen belasten wie die fossile Energie aus Kohle, Öl und Erdgas.

Angesichts der fatalen Folgen des ausufernden motorisierten Individualverkehrs (MIV) für das Klima steuert die Politik seit Längerem die Verkehrswende und deutlich mehr öffentlichen Verkehr (ÖV) mit Bussen und Bahnen an. „Die Erwartungen an unsere Branche sind hoch. Wir sind zwar schon gut, über unsere klassische Aufgabe der Daseinsvorsorge hinaus, etwa bei der Einsparung von Verkehrsflächen oder der Verringerung von Lärm- und Schadstoffemissionen. Die Elektrifizierung unserer Buslinien gibt uns neben der neuen Antriebstechnik die Möglichkeit zum Einsatz von Ökostrom wie bereits bei der Straßenbahn”, betont Annette Körner, Umweltschutzbeauftragte bei den Leipziger Verkehrsbetrieben, die zum Kreis der Autoren des „Leitfadens“ gehört. „Zur Reduktion der verkehrsbedingten Klimagasemissionen ist der ÖV die Lösung des Problems“, heißt es im Vorwort der Schrift.

Beitrag zum Klimaschutz als Imagefaktor

„Ganz wichtig ist, dass mit einer Verlagerung von Verkehrsströmen auf klimafreundlichen Bus- und Bahnverkehr eine Entkopplung der Verkehrsleistungen von den Klimagasemissionen erreicht wird. Der Effekt wird verstärkt, wenn Elektrofahrzeuge eingesetzt werden, die mit nachhaltiger, regenerativer Energie betrieben werden. Und dann sind wir beim Thema Ökostrom – da bieten wir als ohnehin umweltfreundliche Branche schon jetzt das Sahnehäubchen“, ergänzt Leitfaden-Co-Autor Erhard Michel von der DB. Im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern sei der öffentliche Verkehr heute schon in hohem Umfang elektromobil und setze schon jetzt zu hohen Anteilen erneuerbare Energien ein. Klima- und Umweltvorteile des ÖV gegenüber den anderen Verkehrsträgern seien dabei nur der eine Aspekt, es gehe auch ums Image: „Wir wollen den Beitrag unserer Branche für die Begrenzung des Klimawandels sichtbar machen und wir wollen natürlich mehr Fahrgäste gewinnen – die, die wir in Corona-Zeiten verloren haben, und andere, die uns neu entdecken“, sagt Mitautorin Viktoria Fromme, Nachhaltigkeitsbeauftragte von der Düsseldorfer Rheinbahn.

Die Verkehrsunternehmen sind ein wichtiges Instrument der Energie- und Verkehrswende. „In der Politik wird weltweit, national und bis auf die lokale Ebene über Klimaschutz beraten, so auch bei uns. Es bleibt noch viel zu tun, auch wenn in Rathäusern und Kreistagen längst mit der Verkehrswende begonnen wurde“, beobachtet Alexander Berthold, Referent Umweltmanagement & Ressourcenschutz bei der Hamburger Hochbahn. „Von Behörden und Öffentlichkeit gibt es zunehmend sehr konkrete Erwartungen zum Einsatz von Elektrobussen.“ Technisch sei eine veränderte Stromnachfrage überhaupt kein Problem mehr: „Man wendet sich an den Stromanbieter seines Vertrauens und kann das schlicht einkaufen. Das ist nicht viel anders als im Verbrenner-Zeitalter, vielleicht so, also ob man nur die Tankstelle oder den Lieferanten wechselt.“

Mehr regenerative Elektrizität vermeidet noch besser Treibhausgase und Luftschadstoffe. Der Leitfaden bietet hilfreiche Hinweise und Erklärungen bei der wichtigen Steigerung des Ökostromanteils.

Dr. Volker Deutsch,
Verkehrsplanungschef des VDV

Im Hintergrund ist es schon etwas komplexer. Da Strom nicht sichtbar ist und nicht erkennbar ist, wie er erzeugt wurde, gibt es für Ökostrom amtlich registrierte Herkunftsnachweise und Verfahren, die die Qualität des Ökostroms dokumentieren. So wird auch sichergestellt, dass die umweltfreundliche Energie nicht doppelt vermarktet wird. Zudem entsteht für die einkaufenden Unternehmen das Recht, mit ihrer „grünen” Energiequelle zu werben. Keinen Hehl machen die Experten daraus, dass der Ökostrom – derzeit noch – teurer ist als fossile Energie. Die dürfte jedoch absehbar wegen der CO2-Bepreisung und einer strikteren Klimaschutzgesetzgebung teurer werden.

Seitens von Behörden und der Öffentlichkeit gibt es zunehmend sehr konkrete Erwartungen zum Einsatz von Elektrobussen.

Verkehrsbetriebe müssen kalkulieren, wie die Mehrkosten geschultert werden können; und sie müssen gegebenenfalls mit dem meist kommunalen Besteller ihrer Leistungen abstimmen, was diesem „öko“ und die Verkehrswende wert sind. Während in vielen Großstädten und Regionen das Zeitalter der E-Traktion und des E-Busses unter Nutzung von Ökostrom begonnen hat, ist die Diskussion auch in der Breite der Branche eröffnet. Dr. Volker Deutsch, Verkehrsplanungschef des VDV, verweist auf den nun entwickelten Leitfaden: „Mehr regenerative Elektrizität vermeidet noch besser Treibhausgase und Luftschadstoffe. Der Leitfaden bietet hilfreiche Hinweise und Erklärungen bei der wichtigen Steigerung des Ökostromanteils.“

„Nachhaltigkeit bestimmt unsere Zukunft“

Auf die Unternehmen kommt gleichwohl Arbeit zu – über die eigentliche Einführung der E-Mobilität mit entsprechenden Fahrzeugen und den Aufbau der dafür erforderlichen Infrastruktur hinaus. Die Finanzierung dieser Herkulesaufgabe ist eine wichtige Baustelle. Diskutiert werden müssen beispielsweise die Auswahl geeigneter Förderprogramme und auch Fragen zur Energieversorgung. Der Umstieg auf elektrischen ÖV, gespeist aus erneuerbaren Energien, sei über die technischen Fragestellungen hinaus im Zeichen des Klimaschutzes ein „Verantwortungsthema von globalen bis lokalen Zusammenhängen“, formuliert es Dirk Polenz, ebenfalls im Leitfaden-Team und Unternehmensentwickler der Berliner Verkehrsbetriebe. Es gehe auch um die Aufwertung der ÖPNV-Unternehmen in diesem Sinne: „Pünktlichkeit bestimmt unsere Leistung, aber Nachhaltigkeit unsere Zukunft als Branche.“ Ohnehin ist der öffentliche Verkehr energieeffizienter - und liefert pro eingesetzter Energieeinheit mehr Personenkilometer als der Individualverkehr.

Ökostrom erfordert neue Ansätze für ein unternehmensinternes Energiemanagement. Dabei sollte eine Botschaft aus dem Leitfaden beherzigt werden: „Der beste Ökostrom ist der Strom, der nicht verbraucht wird. Verkehrsunternehmen, die ihre spezifische Energieeffizienz steigern, handeln wirtschaftlich und in Bezug auf gemeinsame Lebensgrundlagen verantwortungsvoll. Dies gilt unabhängig von der Qualität ihres Strombezugs.“

Mehr Infos

finden Sie unter:

www.vdv.de/schriften-mitteilungen

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