Hafenlogistik in NRW steigt auf die Schiene um

Marode Brücken, Dauerstau und Baustellen-Stress auf den Autobahnen: Pendelnde stöhnen, Lkw-Fahrer beklagen sich, die Wirtschaft ächzt. In Nordrhein-Westfalen haben sich drei Binnenhäfen und eine kommunale Güterbahn deshalb zusammengetan, um auf der Schiene Transportalternativen zum überlasteten Straßennetz anzubieten. Auf einem gut 200 Kilometer langen Korridor von den Häfen am Niederrhein, in Duisburg und in Dortmund bis nach Südwestfalen rollen seit November regelmäßig Containerzüge für die Quell- und Zielverkehre von Handel und Industrie.

100

Lkw-Fahrten

können pro Werktag
durch Log4NRW
ersetzt werden.

Spätestens seit der Vollsperrung der Autobahn A 45, der Sauerlandlinie bei Lüdenscheid, fühlen sich der Süden von NRW rund um die Kreisstadt Siegen, aber auch die angrenzenden Regionen in Hessen und Rheinland-Pfalz gewissermaßen abgehängt. Doch die Wege nach Norden ins Rheinland und ins Ruhrgebiet sowie darüber hinaus von und zu den deutschen Nordseehäfen sowie den Westhäfen in den Niederlanden und Belgien seien, so Andreas Müller, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, für Deutschlands drittstärkste Wirtschaftsregion „Lebensadern“. Die wachsenden Probleme auf der Straße stellten nicht zuletzt mit Blick auf die Verkehrswende die „Zukunftsfrage der Gütermobilität“. Für Müller liegt eine Antwort auf diese Frage nah, ist er doch Aufsichtsratschef der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein. Und die betreibt in der Siegener Nachbarstadt Kreuztal das ContainerTerminal Südwestfalen, gemeinsam mit der Bahn- und Speditionstochter Kombiverkehr.

Vorstellung des Projekts Log4NRW (v.l.n.r.): Markus Bangen (CEO Duisport), Landrat Andreas Müller (Kreis Siegen-Wittgenstein), Bettina Brennenstuhl (Vorständin Hafen Dortmund), NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, Andreas Stolte (Geschäftsführer Deltaport), Landrat Ingo Brohl (Kreis Wesel) und Christian Betchen (Geschäftsführer Kreisbahn
Siegen-Wittgenstein).

Der Umschlagplatz für Container und Lkw-Aufbauten gleich an der Ruhr-Sieg-Bahnstrecke ist nun der südliche Start- und Zielpunkt der neuen Allianz „Log4NRW“. Dem Englischen entlehnt steht es für „Logistik für NRW“. Partner der Kreisbahn sind gleich drei Hafenunternehmen: Deltaport betreibt am Niederrhein am Rande der Städte Wesel und Voerde moderne Umschlaganlagen für alle Arten von Gütern zwischen Schiff, Schiene und Straße und empfiehlt sich Handel, Industrie und Logistikbetrieben als Standort. Ein paar Kilometer rheinaufwärts ist Duisport Partner von Log4NRW geworden. Der größte Binnenhafen der Welt ist Drehscheibe im Umschlaggeschäft, qualifizierter, vielseitiger Logistikdienstleister und zudem Eisenbahnunternehmen mit Verkehren bis nach China – bisher aber noch nicht nach Kreuztal. Vierter im Bunde ist der Hafen Dortmund, Deutschlands größter Kanalhafen. Er fungiert als Warendrehscheibe für das gesamte Ruhrgebiet, aber eben auch weit darüber hinaus mit regelmäßigen Containerzügen in die deutschen Seehäfen sowie in die Westhäfen Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen, die teils auch vom eigenen Eisenbahnunternehmen Duisport Rail gefahren werden.

Hier entsteht eine vielfältige Win-win-Situation, von der nicht nur die beteiligten Partner, sondern auch Wirtschaft, Verbraucher und die
Umwelt in NRW profitieren.

Markus Bangen
CEO Duisport

Das logistische Quartett schreibt sich erklärter­maßen „Transformation durch Kooperation“ auf die Fahnen. Ein Mit- statt Gegeneinander der Häfen und Bahnen, um „einen großen Beitrag zur Verkehrswende in NRW zu leisten“, sagt die Dortmunder Hafenchefin Bettina Brennenstuhl. Die Allianz sei ein gutes Beispiel für zukünftige Kooperationen von Binnenhäfen, um die kombinierten Potenziale von Wasserstraße und Schiene im Hinterland zu heben. Deltaport-Geschäftsführer Andreas Stolte bekräftigt: „Wir können durch intelligente Logistik den Schwerverkehr von der Straße holen.“ Und Duisport-Vorstandschef Markus Bangen sieht bereits „eine vielfältige Win-win-Situation für Wirtschaft, Verbraucher und die Umwelt.“

Bahnen teilen sich Loks und Personal

Die Regie des neuen Angebots übernimmt eine Marketing- und Vertriebsgesellschaft der Duisport-Gruppe gemeinsam mit der Bahn-Tochter Transfracht. Die Bahnleistungen, insbesondere Lokomotiven und Triebfahrzeugführer, teilen sich die Bahntöchter der Häfen Duisburg und Dortmund. Für die Anfangsphase sind zunächst zwei Zugpaare pro Woche zwischen Deltaport im Norden und Kreuztal im Süden geplant. Die Züge laufen auch die Häfen in Duisburg und Dortmund an, um in die jeweiligen Drehscheibenfunktionen der Hafenterminals eingebunden zu sein. So können Container, die über die Rheinhäfen ins Hinterland gekommen sind, optimal weiter verteilt werden – beispielsweise bis zum Endkunden auf der „letzten Meile“ etwa im Siegerland, genauso aber auch weiter in den Export etwa über die deutschen Seehäfen.

Die Bahn kann günstiger produzieren als der Lkw.

Christian Betchen
Geschäftsführer Kreisbahn
Siegen-Wittgenstein

Mit den zwei Zügen wird eine Kapazität angeboten, die 27.000 Lkw-Fahrten im Jahr überflüssig macht, mehr als hundert Touren pro Werktag. Dass die Wirtschaft mit wachsendem Klimabewusstsein auf das Angebot eingeht, hält Kreisbahn-Geschäftsführer Christian Betchen für sehr wahrscheinlich: „Die Unternehmen in der Region können nun verstärkt über die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene nachdenken, weil es praktikabel und wirtschaftlich ist sowie auch ökologisch Sinn macht.“ Log4NRW sei wettbewerbsfähig gegenüber dem Lkw. „Die Bahn kann günstiger produzieren als der Lkw.“ Aus der Sicht der vier Partner ist entscheidend, dass sich ihr Angebot wirtschaftlich rechnet und sie nicht auf Fördermittel vom Steuerzahler angewiesen sind. Das freut auch NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, der Schirmherr von Log4NRW ist. Zur Präsentation des neuen Konzepts war er nach Siegen gereist: Es sei ein „absolut wegweisender Tag“, verkündete er. Er verwies darauf, dass das Land bereits seit Längerem Mittel für Infrastrukturausbau und -erneuerung auf Strecken der nichtbundeseigenen Güterbahnen (NE-Bahnen) zur Verfügung stelle. Die Politik sei sehr daran interessiert, die Möglichkeiten der Schiene besser zu nutzen.

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