Rund um die Uhr mobil ohne eigenes Auto: Das ist das Ziel des modernen ÖPNV nicht nur in der Stadt, sondern mehr und mehr auch auf dem Land. „Wir bringen die Region ins Rollen“, heißt es beispielsweise hoch in Deutschlands Norden. „Smile 24“ ist der Name eines mit Bundesmitteln geförderten Modellversuchs, den der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (NAH.SH) gemeinsam mit den Kreisen Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde organisiert. Hinter dem Lächeln verheißenden Titel verbirgt sich die Abkürzung des Programmtitels: „Schlei-Mobilität: innovativ, ländlich, emissionsfrei und 24/7“. Beiderseits des schmalen Ostseearms von der holsteinischen Küste bis zur Stadt Schleswig – im Süden bis Eckernförde und im Norden nach Kappeln – ist ein vielseitiges Nahverkehrs-
angebot entstanden: für alle, die nicht Auto fahren können oder nicht Auto fahren wollen.
„Von wegen auf dem Land fährt nur einmal am Tag ein Bus!“
So widerspricht der das Projekt beschreibende Folder einer gängigen öffentlichen Meinung. Expressbus-Linien, PlusBus, Shuttle „on demand“ für die Kurzstrecke, Bike- und Carsharing sind ganzheitlich zu einem ÖPNV-System zusammengefügt, das kaum noch Mobilitätsbedürfnisse offen lässt. Die Expressbusse verbinden die größeren Städte tagsüber im Halb-Stunden-Takt, PlusBus-Angebote verkehren ebenfalls täglich vom frühen Morgen bis zum späten Abend und stellen mit guten Anschlüssen die Verbindung zum Schienennahverkehr her. Wer abseits der Linien wohnt, hat die Möglichkeit, sich per App den Shuttle für seine Anfahrt zu bestellen. Alle diese Leistungen gibt es zum üblichen Preis des Verbundtickets. Fahrräder können an
50 Stationen gemietet werden, kleine Elektroautos stehen an einem Dutzend Verleihstationen im gesamten Smile-Gebiet zur Verfügung.
Im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens, im Dreiländereck zu Hessen und Niedersachsen, liegt das Bediengebiet eines On-Demand-Angebots, dessen Name sich an einen wendigen Kleinvogel anlehnt. Nach dreijähriger Test- und Förderphase hat der „Holibri“ des Nahverkehrsverbunds Paderborn/Höxter (nph) den Schritt in den Regelbetrieb geschafft. Seit Ende 2021 gehören die grünlich schillernden Shuttles zum Stadtbild von Höxter. Als bedarfsorientiertes Angebot haben sie die früheren Stadtbus-Linien abgelöst. Mit mehr Flexibilität und ohne feste Strecken: Stattdessen sorgen über 1.200 Haltepunkte dafür, dass es die Fahrgäste nie weiter als 200 Meter zu ihrem Bus haben. Nutzen können sie den „Holibri“ zum regulären ÖPNV-Tarif und ohne Aufschläge. „Die Menschen wissen den Komfort und die Flexibilität unseres neuen Angebots, das gerade für den ländlichen Raum eine sehr gute Alternative darstellt, sehr zu schätzen“, berichtet nph-Geschäftsführer Marcus Klugmann: „Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind durchweg positiv, die Menschen in Höxter wollen ihren ,Holibri‘ nicht mehr missen. Das sieht auch der Stadtrat so und hat ausreichend Mittel für die Weiterführung nach der dreijährigen Pilotphase bereitgestellt.“ Nach und nach hat der „Holibri“ sein Verbreitungsgebiet über die Grenzen der Weserstadt hinaus ausgedehnt – zunächst in die Kleinstadt Willebadessen im Kreis Höxter, anschließend in den Nachbarkreis Paderborn nach Lichtenau und Hövelhof. Seit Anfang dieses Jahres steuert der jüngste Ableger der „Holibri“-Familie unter anderem ein Industriegebiet in Hövelhof an. Unter dem Projektnamen „Ways2Work“ können die Fahrgäste mit einer neu geschaffenen Regionalbuslinie und dem bereits etablierten On-Demand-Angebot auch zur Arbeit kommen. Anders als der Ur-„Holibri“ in Höxter verkehren zwei der jüngeren Shuttles zu bestimmten Zeiten und, wenn mehr als eine Person mitfährt, auf festen Linienwegen – jedoch ebenfalls nur nach Bedarf. In den Kreisen Höxter und Paderborn haben 220.000 Fahrgäste das Angebot in den vergangenen drei Jahren genutzt, 90.000 allein 2024. Davon hatten 41 Prozent das Deutschland-Ticket. Für Höxter und Lichtenau gibt es eine App zur komfortablen digitalen Buchung, die von mehr als 80 Prozent der Fahrgäste genutzt wird. Parallel stehen Telefon und Internet in allen „Holibri“-Systemen zur Verfügung.
60-Minuten-Takt Plus On-Demand-Angebot: So wäre es ideal
In einer Broschüre arbeitet der VDV zu sechs Themen die Lösungen für den ÖPNV im ländlichen Raum heraus. Dazu zählen die Stärkung der ÖPNV-Kultur: Bei Entscheidungsträgern wie Landrätinnen und Landräten sowie Abgeordneten sollte durch Aktionen das Bewusstsein für die Bedeutung des ÖPNV gestärkt werden. Als Leistungsangebot ist ein flächendeckender 60-Minuten-Takt kombiniert mit On-Demand-Angeboten notwendig. Digitalisierung: Der lückenlose Ausbau von schnellem Internet und WLAN muss gewährleistet werden. Die Antriebswende erfordert langfristige Fördermittel für die Infrastruktur und Modernisierung der Flotten. Eine langfristige und verlässliche Finanzierung des Deutschland-Tickets, zusätzliche Mittel für den Ausbau des ländlichen ÖPNV-Angebots und eine faire Einnahmeverteilung, die den ländlichen Regionen Rechnung tragen, sind unabdingbar. Personal und Bildung: Die Reform des Busführerscheins muss die Anforderungen des ÖPNV berücksichtigen.
www.vdv.de/positionen
Rufbusse on demand, Express- und PlusBus sowie Mobilitätshubs sind landauf, landab die Chancen für einen gleichermaßen intelligenten und attraktiven ÖPNV außerhalb der Ballungsräume. Linien mit dem X wie Expressbus oder SB wie Schnellbus vor der Nummer gibt es teilweise schon seit Jahrzehnten, verstärkt aber in den letzten Jahren. Vorbild ist der schnelle Schienennahverkehr, der aber naturgemäß nur überall dorthin kommt, wo betriebsfähige Gleise liegen. „Der Schnellbus gibt uns die Möglichkeit, die meist hervorragend ausgebaute Straßeninfrastruktur für moderne und bessere Dienste zu nutzen, nicht zuletzt auch im Zusammenspiel von Schiene und Straße“, sagt Werner Overkamp, Chef der STOAG Stadtwerke Oberhausen und VDV-Vizepräsident für den Bereich Bus. Ziel sei es, mit solchen Busangeboten näher an die Fahrtdauer des Individualverkehrs heranzukommen. Faustregel: Der Bus sollte das Ziel in höchstens der anderthalbfachen Zeit des Autos erreichen.