Finanzierung
29.01.2024

D-Ticket:

Stärkerer politischer
Rückenwind wird benötigt

Mit Bussen und Bahnen zu fahren, ist deutlich einfacher geworden: Auch das ist neben den Verkaufszahlen von etwa zehn Millionen ein Erfolg des Deutschland-Tickets. Es ginge jedoch mehr. Bei Fahrgästen, Kommunen und Landkreisen, Arbeitgebern und nicht zuletzt bei den Verkehrsunternehmen herrscht wegen des Gezerres um die Finanzierung der ÖPNV-Flatrate nach wie vor Verunsicherung.

In den nächsten Wochen kommt es darauf an, dass wir das Deutschland-Ticket dauerhaft finanzieren und gleichzeitig das Angebot verbessern.

Alexander Möller
VDV-Geschäftsführer ÖPNV


Transformation, Revolution, Disruption: Die Debatte um die Zukunft des Deutschland-Tickets befindet sich in der Verlängerung. „In den nächsten Wochen kommt es darauf an, wie wir das Deutschland-Ticket dauerhaft finanzieren und gleichzeitig das Angebot verbessern“, sagte Alexander Möller, VDV-Geschäftsführer ÖPNV, im ARD-Mittagsmagazin. Seit Monaten nun läuft die Diskussion um die Finanzierung. Die ist zumindest bis Ende April gesichert. Darauf hatten sich Bund und Länder zuletzt geeinigt. „Jede politische Debatte über seine Existenz schadet dem Verkaufserfolg“, erklärte Alexander Möller im „Spiegel“: „Deshalb müssen alle gemeinsam am Erfolg des Tickets arbeiten.“ Das gelte insbesondere mit Blick auf das Deutschland-Ticket Job und auf die Gewinnung von Neukunden, die zuvor fast nie mit dem ÖPNV gefahren seien.

Doch es scheint unausweichlich, über kurz oder lang den Preis für das D-Ticket zu erhöhen. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland machte VDV-Präsident Ingo Wortmann zu Jahresbeginn deutlich: „Wir wollen keine drastischen Preiserhöhungen beim Deutschland-Ticket. Dafür müssen aber ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Verkehrsunternehmen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.“ Zwar werde der Ticketpreis wegen steigender Kosten irgendwann etwas erhöht werden müssen, es sei aber zentral, dass der Preis von 49 Euro im Monat noch mindestens bis Ende 2024 erhalten bleibe. Auch für Ingo Wortmann ist das „gerade für die Gewinnung und Bindung neuer Kundinnen und Kunden“ wichtig.

Fachleute aus den Bereichen Marketing, Vertrieb, Kundenservice und Tarif diskutierten die Entwicklungsperspektiven des D-Tickets für das Jahr 2024 und darüber hinaus.

D-Ticket ist ein Transformationsprojekt

Um eine Halbjahresbilanz des D-Tickets sowie die Perspektiven für Marketing und Vertrieb ging es vor Weihnachten bei einem Treffen von Fachleuten der Verkehrsbranche, zu der die beiden VDV-Ausschüsse „Marketing & Kommunikation“ und „Preisbildung & Vertrieb“, die VDV-Akademie, der VDV eTicket Service sowie die Rheinbahn eingeladen hatten. „Wir dürfen nicht den Glitzer aus dem Deutschland-Ticket verlieren“, appellierte José Luis Castrillo an die Branche: „Es ist ein Transformationsprojekt, auf das wir stolz sein können“, so der Vorsitzende des VDV-Ausschusses „Preisbildung & Vertrieb“ und Vorstand des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR). Annette Grabbe, Vorstandssprecherin der Rheinbahn, ging noch weiter und sah sogar Disruption. Das D-Ticket habe Vorurteile gegenüber der Branche widerlegt: „Veränderung ist möglich – und das sogar schnell.“

„Ohne dieses unkonventionelle Vorgehen würde es dieses Ticket nicht geben“, sagte Udo Sieverding, Abteilungsleiter im NRW-Verkehrsministerium, und dankte der Branche für ihre Kraftanstrengung. Die politische Herausforderung sei jetzt, dafür zu sorgen, dass der Bund dauerhaft in der Finanzierung bleibe. Dass die Nachschusspflicht nicht gekommen ist, sei ein „Warnsignal“. Nun komme es auf die Verkaufszahlen der nächsten Monate an – mit der Hauptzielgruppe der Berufstätigen: „Wir brauchen eine Jobticket-Offensive.“

Wir wollen keine drastischen Preiserhöhungen beim D-Ticket. Dafür müssen aber ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Verkehrsunternehmen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.

Ingo Wortmann
VDV-Präsident im Interview mit dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland

Aber es gilt auch, „die Politik auf allen Ebenen zu begeistern. Wenn wir da Klarheit haben, können wir auch die Kunden begeistern“, sagte Dr. Linda Kisabaka vom Augsburger Tarif- und Verkehrsverbund in einer Diskussionsrunde, bei der sie sich mit Michael Beer (Berliner Verkehrsbetriebe), Birgit Münster-Rendel (Magdeburger Verkehrsbetriebe) sowie Anja Wenmakers (Stadtwerke Bonn) über die jeweiligen Erfahrungen austauschte. Demnach spielten Verlässlichkeit und Stabilität beim D-Ticket eine entscheidende Rolle, damit es nicht zu Kündigungen kommt. Klar wurde auch, dass der Anteil von D-Ticket-Besitzern in ländlichen Regionen gering ist. Ein günstiges ÖPNV-Ticket allein reiche nicht aus, um Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen: Deshalb müsse das Angebot von Bussen und Bahnen zeitnah ausgebaut werden.

Potenzial des Jobtickets weiter erschließen

Zuvor hatte VDV-Geschäftsführer Alexander Möller Ergebnisse aus der bundesweiten Marktforschung vorgestellt, die der VDV im Auftrag von Bund und Ländern koordiniert. Demnach besitzen 17 Prozent der Befragten ein Deutschland-Ticket. Die deutschlandweite Gültigkeit wurde als wichtigster Kaufgrund genannt, wobei der Preis ebenfalls eine wesentliche Rolle spielte. Von den gültigen D-Tickets waren drei von vier Standardtickets, aber nur weniger als jedes fünfte ein D-Ticket Job. In der Job-Variante des D-Tickets liegt nach Ansicht der Fachleute ein großes Potenzial. Fast 46 Millionen Erwerbstätige sind für die Branche ein wichtiger Hebel, den Erfolg des D-Tickets auszubauen und damit mehr Einnahmen zu generieren.

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Als erstes Unternehmen hatte die Rewe Group einen Rahmenvertrag mit der Deutschen Bahn für das Deutschland-Ticket als vergünstigtes Jobticket geschlossen („VDV Das Magazin“ berichtete). Der Handels- und Touristikkonzern mit Sitz in Köln verfolgt das Ziel, möglichst vielen seiner 150.000 Mitarbeitenden in Deutschland einen Zuschuss zu geben, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen. „Die Nachfrage fiel bisher geringer aus als erwartet“, lautete das Zwischenfazit von Michael Fräßdorf, Head of Compensation & Benefits. Nach fünf Monaten hatte die Belegschaft bis Oktober vergangenen Jahres 9.000 Tickets abgenommen. Die Wahrnehmung des Angebots bei den Mitarbeitenden, den Betriebsräten und in der Öffentlichkeit sei dennoch sehr positiv, so Michael Fräßdorf, die Fortführung des Angebots hänge aber unter anderem von den politischen Entscheidungen zur zukünftigen Preisgestaltung sowie von einer Reduzierung des manuellen Aufwands ab.

Mehr Mut zur Veränderung: Dazu ermunterte Carmen Maria Parrino die Teilnehmenden zum Abschluss der Veranstaltung. Angesichts des wachsenden Kostendrucks und der fraglichen Finanzierung des D-Tickets sprach sich die Geschäftsführerin bei DB Vertrieb für mehr Nutzen durch Digitalisierung und Harmonisierung aus – und warf die Frage auf, ob nicht eine Nahverkehrs-App pro Bundesland und nur eine für Deutschland reiche. Mehr Effizienz sei auch durch weniger stationäre Vertriebsinfrastruktur möglich, wenn die Hälfte der Automaten bargeldlos wäre oder Entwerter abgeschafft würden. „Das D-Ticket geht nicht wieder weg“, zeigte sich Carmen Maria Parrino überzeugt: „Es hat den Markt unumkehrbar verändert.“

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Infos unter:

job.d-ticket.info

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