Dampfzug mit Lok 99 731 passiert Wohnhäuser mit roten Dächern in einer Ortschaft der sächsischen Schmalspurbahn.
Politik
9 Min
28. OKTOBER 2025

Geht den Dampfbahnen die Puste aus?

Die Haushaltsnöte von Bund, Ländern und Kommunen sowie rapide steigende Betriebskosten bedrohen den Fortbestand der nicht nur bei Eisenbahnfans beliebten Dampfzugfahrten überwiegend in den ostdeutschen Bundesländern. Erste Verkehrseinschränkungen sind die Folge der leeren öffentlichen Kassen. Politik und Bahnbetreiber suchen händeringend nach Einsparungen und Finanzierungsmöglichkeiten.

Bahnfahren kostet Geld. Nicht nur aus der Perspektive des Fahrgastes, der hier und da für die nostalgische Reise einen musealen Aufpreis für die Fahrkarte bezahlen muss. Vielmehr gilt das für die Dampfbahnen selbst. Nicht anders als bei jeder modernen Eisenbahn muss die Infrastruktur auf hohem Niveau instand gehalten werden, um den aktuellen Sicherheitsanforderungen zu genügen. Hinzu kommt: Die Betreiber brauchen teure Technik, um ihre in die Jahre gekommenen Flotten weiter einsetzen zu können. Mit Loks und Waggons, die nicht selten die für Schienenfahrzeuge schon außergewöhnlich lange technische Lebensdauer von drei Jahrzehnten um mehr als das Doppelte überschritten haben. Es geht um Kosten und Investitionen, die in die Millionen gehen – und keinesfalls durch die Einnahmen des Bahnbetriebs gesichert sind. So gerieten die Harzer Schmalspurbahnen (HSB), das weithin bekannte Aushängeschild der Dampfbahnzunft, in diesem Sommer in negative Schlagzeilen, weil ihr die Kosten davonlaufen und das Defizit bedrohlich wächst. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre mit Corona und Inflation bremsten nachhaltig das Fahrgastaufkommen, immense Preis- und Kostensteigerungen machten die Bilanz tiefrot.

Die Harzer Schmalspurbahnen bieten mit ihren 25 Dampfloks, so das Unternehmen in seinem Internetauftritt, „eines der letzten großen Dampfabenteuer weltweit“ - wie hier bei der Fahrt auf den Brocken.

Rund 5.000 Tonnen Steinkohle werden pro Jahr in den Dampfloks im Harz verheizt: Der Einkauf muss dafür doppelt so viel bezahlen wie vor wenigen Jahren. Verdoppelt haben sich in einem halben Jahrzehnt auch die hohen Aufwendungen für die „schwere Instandhaltung“. Diese Hauptunter­suchung muss jedes Schienenfahrzeug alle acht Jahre durchlaufen. Pro Lokomotive werden jetzt 1,5 bis zwei Millionen Euro fällig, beschreibt HSB-Sprecher Dirk Bahnsen nüchtern die dramatische Situation. Und bei der Wartung des Wagenparks wie beim Gleisbau klettern die Ausgaben ebenfalls in schwindelerregende Höhen: „Das konnte so nicht einkalkuliert werden.“


Bildbeschreibung oben:
Zittauer Schmalspurbahn in Sachsen.

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Vor drei Jahren eröffneten die HSB an ihrem Sitz in Wernigerode eine hochmoderne Dampflokwerkstatt – ein „Fitnessstudio für die Dampflokveteranen“, wie „VDV Das Magazin“ berichtete. Ein prächtiger Industriebau, nicht nur für die Menschen, die dort arbeiten, sondern auch zum Zuschauen für die vielen Lokliebhaber, die jährlich zu den schmalen Schienen im Harz pilgern. Rund 15 Millionen Euro hat die Bahn aus Eigenmitteln und Krediten aufgebracht. Viel Geld, aber es hat nicht gereicht: Aus Kostengründen blieb die technische Ausstattung der Werkstatt reduziert. Die Idee, künftig die schwere Instandhaltung günstig in Eigenregie auszuführen, musste verworfen werden.

Außenansicht der modernen HSB Dampflokwerkstatt in Wernigerode mit dunkler Klinkerfassade, großem, gerundetem Glasfenster und dem Schriftzug

Fitnessstudio für die Dampflokveteranen: Am Firmensitz in Wernigerode haben die HSB in eine moderne Werkstatt investiert.

Höchster Alarm bei den neun Städten und Kreisen, die Gesellschafter der HSB GmbH sind – und in der Landespolitik in Sachsen-Anhalt sowie Thüringen. In beiden Bundesländern betreibt die Bahn ihr 140 Kilometer langes Streckennetz. Im Rahmen der Daseinsvorsorge fährt sie, mit und ohne Dampf, den bestellten Schienennahverkehr auf der Grundlage eines Verkehrsvertrags – wie andere Unternehmen in anderen Regionen auch. Ein Gutachten der Eisenbahnexperten der Beratungsfirma SCI Verkehr machte schnell deutlich, dass sich die finsteren Wolken über dem Harz so schnell nicht verziehen werden. Laut der Untersuchung ­stehen die HSB vor einem erheblichen Investitions- und Instandhaltungsstau. Für eine zukunftsfähige Infrastruktur und für die Flotte müssen nach Schätzung der Gutachter innerhalb der nächsten 20 Jahre 550 Millionen Euro investiert werden sowie 250 Millionen Euro für den Betrieb zur Verfügung stehen. Gegenwärtig wird vielfältig diskutiert, gerechnet und nachgedacht, wie das Unternehmen und der Zugbetrieb überleben können. Es geht nicht nur um hohe Kosten. Mit knapp 300 Beschäftigten sind die HSB einer der großen Arbeitgeber im Harz, rund 1.000 weitere Arbeitsverhältnisse hängen mittelbar an der Bahn. Zudem hat die Hochschule Harz eine jährliche Wertschöpfung von 39 Millionen Euro durch den Bahnbetrieb errechnet. „Jeder ausgegebene Euro verdreifacht sich so“, sagt Dirk Bahnsen: „Eine bessere Investition ist für die Länder kaum denkbar.“ Doch der Rotstift wird in den kommenden Jahren immer mitfahren. Die Gesellschafter haben sich klar zum Erhalt des gesamten Netzes ausgesprochen. Der Vorschlag einer kompletten Elektrifizierung wird gegenwärtig mit einer Machbarkeitsstudie durch den Landkreis Harz untersucht. Geklärt werden muss auch, ob und wie ein Dampfbetrieb der nächsten Generation attraktiv-traditionell, aber möglichst emissionsfrei aufgegleist werden kann. Das Gutachten hat sich für eine Umrüstung der Dampfloks auf eine emissionsarme Leichtölfeuerung ausgesprochen.

Finanzielle Sorgen gibt es auch bei den dampfenden Schmalspurbahnen im südlichen Sachsen. Das Land hat in seinem Doppelhaushalt für 2025/2026 den Betriebskostenzuschuss für die fünf historischen Bahnbetriebe um rund zehn Prozent gesenkt. In der Folge mussten die Aufgabenträger Fahrleistungen aus den Verkehrsverträgen reduzieren. Die „bereits in der Vergangenheit überdurchschnittlich stark gestiegenen Material- und Energiekosten“ seien nicht zu kompensieren gewesen, heißt es beim Verkehrsverbund Oberelbe (VVO). In der Folge fallen künftig Züge aus und werden Verkehre außerdem auf die Wochenenden beschränkt. Und die Bahnen müssten Wartungs- und Reparaturaufwand auf ein Minimum reduzieren.

Dampfzug überquert eine mehrbogige Steinbrücke über einem Gewässer, wobei sich Zug und Brücke im Wasser spiegeln.
Dampflokomotive 99 1542-2 zieht einen Personenzug der Schmalspurbahn entlang eines Flusses durch einen Wald in Sachsen.

Sachsen bietet eine hohe Dichte des Kulturerbes Schmalspurbahn - darunter die Weißeritztalbahn und die Preßnitztalbahn (v. l.).

Dass es sich bei den fünf Bahnen nicht um beliebige Verkehrsmittel handelt, zeigen die Reaktionen auf das Sparprogramm des Freistaates Sachsen. Dr. Andreas Winkler, Vorstandsvorsitzender der „Stiftung Sächsische Schmal- spurbahnen“ lässt Verbitterung über das von der Landesregierung verordnete Spardiktat durchblicken: „Die pauschale Kürzung für die Bahnen im täglichen Verkehr erschwert die Aufrechterhaltung dieser wichtigen Infrastruktur massiv. Diese erfolgte ohne Prüfung der Bedingungen, Anforderungen und eigenen Initiativen.“ Christian Sacher, Projektleiter der Marketingplattform „Dampfbahn-Route“, sorgt sich um „dieses nur in Sachsen in der besonderen Dichte und Vielfalt zu erlebende Kulturerbe der Schmalspurbahnen“. Durch die Angebotsreduzierungen werde „eine Lücke in die touristische Infrastrukturfunktion der Bahnen und damit auch in regionale Wertschöpfungsketten links und rechts der Bahnen gerissen“. Es sei nicht erkennbar, „wie das fast 150-jährige Kulturgut dampfbetriebene Schmalspurbahnen in Sachsen als wohl besucherstärkste industriekulturelle Facette des Freistaats eine gesicherte Zukunft haben kann“.

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