Europa
9 Min
1. Oktober 2025

Italiens Bahn im Aufbruch: Gruppo FS investiert 100 Milliarden in die Zukunft

Der staatliche italienische Bahnkonzern stellt seinen Strategieplan 2025-2029 vor und leitet eine tiefgreifende Phase der Erneuerung ein. Mit über 100 Milliarden Euro an Investitionen sollen die Infrastruktur modernisiert, die Pünktlichkeit verbessert und die Rolle des Konzerns als führender europäischer Mobilitätskonzern gestärkt werden.

Der italienische Bahnkonzern Gruppo Ferrovie dello Stato Italiane (Gruppo FS) hat die Weichen für die Zukunft neu gestellt: Mit einem ehrgeizigen Strategieplan für die Jahre 2025 bis 2029 leitet das Unternehmen eine umfassende Modernisierung ein. Der Plan, der von CEO Stefano Antonio Donnarumma in Rom vorgestellt wurde, sieht Investitionen von über 100 Milliarden Euro vor. Ziel ist es, die Infrastruktur des Landes zu verbessern, die Servicequalität für Reisende spürbar zu erhöhen und die nachhaltige Mobilität in Italien und Europa entscheidend voranzubringen.

„Dieser Plan wird die Position der Gruppo FS entscheidend prägen und uns in die Lage versetzen, aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu meistern“, betonte Präsident Tommaso Tanzilli.

Ein Plan für Wachstum und Pünktlichkeit

In über 250 SMART-Zielen möchte sich der Konzern verbessern. Ein zentrales Versprechen an die Kundinnen und Kunden ist die Steigerung der Pünktlichkeit. Mit dem Ziel, hier die besten Leistungen in der Unternehmensgeschichte zu erreichen, sollen jährlich über 50.000 Züge spürbar pünktlicher werden. Gleichzeitig wird der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken vorangetrieben, um 30 % mehr Menschen in Italien an deren Netz anzubinden. Bis 2029 sollen die Umsatzerlöse auf über 20 Milliarden Euro und das Nettoergebnis auf über 500 Millionen Euro steigen.

„Die Gruppo FS bereitet sich auf eine ehrgeizige Transformation vor, die nicht nur die Betriebsabläufe erneuert, sondern auch die angebotenen Dienstleistungen spürbar verbessert“, erklärte CEO Stefano Antonio Donnarumma. „Ziel ist es, die wirtschaftlichen Herausforderungen effektiver zu bewältigen und die Infrastruktur sowie die Servicequalität weiter zu stärken.“

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Milliarden für die Infrastruktur und moderne Flotten

Die Investitionen verteilen sich auf die zentralen Geschäftsfelder des Konzerns und sind teilweise auf einen Zehnjahreshorizont ausgelegt:

Schieneninfrastruktur (RFI): Über 50 Milliarden Euro sind in den nächsten zehn Jahren für die Modernisierung und Qualitätsverbesserung des 17.000 Kilometer langen Schienennetzes vorgesehen. Weitere 60 Milliarden Euro fließen in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur.

Straßeninfrastruktur (Anas): Mehr als 40 Milliarden Euro werden in das 32.000 Kilometer lange Straßennetz investiert, davon 25 Milliarden in Neubauprojekte.

Personenverkehr (Trenitalia & Busitalia): Die Flotte wird umfassend erneuert. Geplant ist die Beschaffung von 46 neuen Hochgeschwindigkeitszügen des Typs Frecciarossa 1000, 145 neuen Regionalzügen und über 1.260 emissionsarmen Bussen. Die Fahrgastzahlen sollen im Fünfjahreszeitraum um über 100 Millionen im Zugverkehr und 95 Millionen im Busverkehr steigen.

Güterverkehr (Mercitalia): Der Güterverkehr soll zu einem europäischen „Freight Forwarder“ weiterentwickelt werden, der integrierte und multimodale Transportlösungen aus einer Hand anbietet.

Europa im Fokus: Internationales Wachstum als strategisches Ziel

Der Strategieplan unterstreicht die Ambitionen der Gruppo FS, ihre Rolle als führender europäischer Mobilitätsanbieter auszubauen. Das Fahrgastaufkommen im internationalen Geschäft soll um 40 % gesteigert werdend. Bereits im Juni 2025 wurde eine Verbindung über München bis nach Berlin angekündigt. Dies stärkt nicht nur die Position des Unternehmens, sondern fördert auch die grenzüberschreitende Vernetzung auf der Schiene – ein Ziel, das sich auch mit der Entwicklung des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) deckt.

Ein zentraler Pfeiler der Digitalisierungsstrategie ist der beschleunigte Ausbau des European Train Control System (ETCS). Der Plan verfolgt hier ein deutlich ehrgeizigeres Ziel als oft angenommen: Die streckenseitige Ausrüstung des gesamten Kernnetzes soll bereits bis 2030 abgeschlossen sein. Um einen reibungslosen Übergang für alle Verkehrsunternehmen zu gewährleisten, wird das neue System dem bestehenden nationalen Signalsystem überlagert. Dies erlaubt es auch Zügen ohne moderne ETCS-Bordgeräte, das Netz noch bis circa 2045 zu befahren. Dieser technologische Sprung ist die entscheidende Voraussetzung für einen nahtlosen, grenzüberschreitenden Verkehr und ermöglicht zugleich eine höhere Taktung und Kapazität im nationalen Netz, was für die Stärkung des europäischen Schienenverkehrs von fundamentaler Bedeutung ist.

Transformation durch Innovation und Nachhaltigkeit

Fünf zentrale Programme sollen den Wandel innerhalb des Konzerns vorantreiben: Die Verbesserung der Betriebssicherheit mit dem Ziel „Null Unfälle“, die Qualifikation der Mitarbeitenden, über zwei Milliarden Euro an digitalen Investitionen, eine Stärkung der Nachhaltigkeit, unter anderem durch die Installation von über einem Gigawatt an Photovoltaikanlagen bis 2029, sowie die Verbesserung des Eigenkapitals des Unternehmens.

Die Pläne in Italien sind ambitioniert und zeugen von Aufbruchsstimmung. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es dem Unternehmen gelingt, seine Infrastruktur tatsächlich spürbar zu verbessern. Und die ferne Zukunft wird zeigen, ob Passagiere und Güterversender diese Investitionen honorieren werden.

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