Fahrerlaubnis bleibt Thema
Bereits in ihren ersten Monaten konnte die neue Kommission ein Projekt abschließen, das unmittelbare Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen hat. Im Frühjahr gelang es nach langen Verhandlungen, die Überarbeitung der europäischen Führerscheinrichtlinie abzuschließen. Zunächst muss nun der mit dem Rat gefundene Kompromiss durch das Plenum des EU-Parlaments verabschiedet werden. Erst danach kann der Text im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und wenig später in Kraft treten. Im Anschluss muss das Gesetz noch in deutsches Recht überführt werden.
Zwar ging es in der politischen Diskussion primär um die Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und das Mindestalter privater Fahrerinnen und Fahrer, doch lagen auch Änderungsvorschläge auf dem Tisch, die der ÖV-Branche Kopfschmerzen bereitet hätten. „Da wurde ernsthaft darüber beratschlagt, das Mindest- alter für Busfahrerinnen und Busfahrer aus Sicherheitsgründen zu erhöhen“, erklärt Annika Degen: „Das hätte unseren Mitgliedern schon Sorge bereitet, weil es derzeit bekanntlich schwierig ist, Fahrernachwuchs zu gewinnen.“ Doch schließlich einigte sich die europäische Politik darauf, das Mindestalter von Fahrerinnen und Fahrern für Linien- wie Reisebusse bei entsprechender Ausbildung auf 21 Jahre festzulegen. Und den Mitgliedsstaaten der EU bleibt es zugestanden, auch 18-Jährige im Linienverkehr auf Strecken bis zu 50 Kilometern hinterm Lenkrad zuzulassen, wenn diese entsprechend geschult sind.
Das Thema Fahrerlaubnis für Busse wie Bahnen wird das Zweierteam in Brüssel noch weiter beschäftigen. „Wenn die Führerschein-Richtlinie in Kraft tritt, sind wir im Europabüro wahrscheinlich schon mit dem nächsten Gesetz beschäftigt, welches die Fahrerinnen und Fahrer betrifft“, erläutert Annika Degen. So soll die Berufskraftfahrerrichtlinie (EU) 2022/2561 ab Ende 2025 überarbeitet werden. Ebenfalls am Horizont wartet die Überarbeitung der europäischen Triebfahrzeugführer-Richtlinie 2007/59/EG, in der es um die Anforderungen an Fahrpersonal im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr geht.
Infrastruktur: Kapazitäten besser managen
Zu den größeren aktuellen Aktivitäten in der Brüsseler Verkehrspolitik zählt die Verabschiedung einer Verordnung für das Kapazitätsmanagement im Eisenbahnverkehr. „Das klingt zunächst einmal reichlich theoretisch, aber es betrifft unsere Bahnunternehmen bis in die Details“, sagt Marlene Boegner. Ziel der Verordnung sei es, die Nutzung vorhandener Infrastrukturkapazitäten auf den Strecken und in Bahnhöfen sowie Umschlag- anlagen durch entsprechende Regelwerke zu optimieren, um so insgesamt Transportvolumina sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr zu steigern.
Speziell der grenzüberschreitende Verkehr soll von der Verordnung profitieren und die Zusammenarbeit der Bahnen über nationale Grenzen hinweg gefördert werden. Das zu erarbeitende Regelwerk soll dafür verbindliche, klare Planungs- und Zuteilungsverfahren für Fahrwegkapazitäten entwickeln. „Der VDV begrüßt das eigentlich“, betont Marlene Boegner, „denn eine optimierte Verteilung der Kapazitäten kann natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene steigern.“ Gleichzeitig drohe aber neue Bürokratie, wenn es nicht gelingen sollte, Überregulierungen durch die neue Verordnung zu vermeiden. Die konkreten Ausgestaltungen dieser Vorschrift waren in den bisherigen interinstitutionellen Gesprächen in Brüssel zum Teil heftig umstritten. Nun will aber die derzeitige dänische Ratspräsidentschaft mit einer letzten Verhandlung im Herbst Nägel mit Köpfen machen und das Thema abschließen.
Güter: Verlagerung auf die Straße vermeiden
Mehr Verkehr auf die Schiene, speziell im Güterverkehr, ist ein Dauerthema. Seit 2023 befassen sich Ministerrat und das europäische Parlament mit der EU-Richtlinie, die Höchstmaße und Gewicht für Straßenfahrzeuge festlegt – der Weights and Dimensions Directive (WDD). Heiß diskutiert wird eine Erhöhung der Maximallast für Lkw von 40 auf 44 Tonnen. „Aus VDV-Sicht muss das vom Tisch, denn mit jeder zusätzlichen Tonne Kapazität auf der Straße droht eine weitere Verlagerung der Transporte von der Schiene, statt sie im intermodalen Verkehr zum Rückgrat emissionsarmer Lieferketten zu machen“, erklärt Marlene Boegner. Lediglich dem Kombinierten Verkehr sollten diese 44 Tonnen Maximallast im Vor- und Nachlauf vorbehalten bleiben.
Der VDV setzt sich dafür ein, dass ein weiterer spezieller Vorteil des Güterverkehrs auf der Schiene gegenüber der Straße in den Verhandlungen berücksichtigt wird: die Tatsache, dass Güter auf der Schiene auch wirtschaftlich weitaus weniger Belastungen für Verkehr und Umwelt – die externen Kosten – verursachen als jeder Lkw-Transport auf der Straße.